An welches Finanzamt muss man die Erbschaftsteuererklärung schicken?

Dumme Frage, oder? Natürlich an das Finanzamt am Wohnsitz des Verstorbenen. Oder des Erben? Was wenn es mehrere Erben gibt, die an verschiedenen Orten wohnen, ggf. sogar in verschiedenen Bundesländern? Muss man dann mehrere Erklärungen parallel abgeben? Und was gilt, wenn der Verstorbene oder der Schenker ihren Wohnsitz im Ausland hatten / haben? Sie sehen: Auf den zweiten Blick ist die Frage, welches Finanzamt örtlich für die Erteilung des Erbschaftsteuerbescheids zuständig ist, also gar nicht so einfach.

Es lohnt sich daher der Blick in den Zuständigkeitsparagraphen des Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes, § 35 ErbStG. Das ist keine ganz leichte Lektüre:

(1) Örtlich zuständig für die Steuerfestsetzung ist in den Fällen, in denen der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Zuwendung ein Inländer war, das Finanzamt, das sich bei sinngemäßer Anwendung des § 19 Absatz 1 und des § 20 der Abgabenordnung ergibt. Im Fall der Steuerpflicht nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b richtet sich die Zuständigkeit nach dem letzten inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers oder Schenkers.

(2) Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach den Verhältnissen des Erwerbers, bei Zweckzuwendungen nach den Verhältnissen des Beschwerten, zur Zeit des Erwerbs, wenn

1. bei einer Schenkung unter Lebenden der Erwerber, bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden der Beschwerte, eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist oder
2. der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Zuwendung kein Inländer war. Sind an einem Erbfall mehrere inländische Erwerber mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in verschiedenen Finanzamtsbezirken beteiligt, ist das Finanzamt örtlich zuständig, das zuerst mit der Sache befaßt wird.
(3) Bei Schenkungen und Zweckzuwendungen unter Lebenden von einer Erbengemeinschaft ist das Finanzamt zuständig, das für die Bearbeitung des Erbfalls zuständig ist. Satz 1 gilt auch, wenn eine Erbengemeinschaft aus zwei Erben besteht und der eine Miterbe bei der Auseinandersetzung eine Schenkung an den anderen Miterben ausführt.
(4) In den Fällen der Steuerpflicht nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 ist das Finanzamt zuständig, das sich bei sinngemäßer Anwendung des § 20 Absatz 1 und 2 der Abgabenordnung ergibt.
(5) In den Fällen des § 2 Absatz 1 Nummer 3 ist das Finanzamt örtlich zuständig, das sich bei sinngemäßer Anwendung des § 19 Absatz 2 der Abgabenordnung ergibt.
Vereinfacht zusammengefasst: Ausschlaggebend für die örtliche Zuständig ist meist der Wohnort des Verstorbenen bzw. des Schenkers, manchmal aber auch der Wohnort des Empfängers, also des Erben bzw. des Beschenkten (im Gesetzestext „Erwerber“ genannt). In manchen Fällen machen es mehrere beteiligte Finanzämter auch unter sich aus, wer den Erbfall übernimmt.

Meist gerade nicht das Finanzamt am Ort

Zudem gilt: Für Erbschaftsteuer und Schenkungsteuerer hat die Finanzverwaltung zentrale Zuständigkeiten festgelegt. Meist ist also gerade nicht das örtliche Finanzamt zuständig, an dem man seine Einkommensteuererklärung abgibt, sondern die Zuständigkeit ist bei einem speziellen Finanzamt für mehrere Bezirke zentralisiert. Selbst in Großstädten wie München und Nürnberg werden Erbschaftsteuererklärungen nicht vom lokalen Finanzamt bearbeitet, sondern von zentralen Erbschaftsteuerfinanzämtern. In Bayern sind das folgende sechs Finanzämter:

 

Bei diesen Finanzämtern sind somit die Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuererklärungen einzureichen. Spätestensdrei Monate ab Kenntnis vom Erbanfall oder der Schenkung muss man nach § 30 ErbStG wenigstens eine kurze Mitteilung an das Finanzamt schicken (Anzeige vom Erwerb). Ausnahme: Wenn der Erwerb auf Basis einer Notarurkunde erfolgt, weil die Finanzbehörden hiervon dann ohnehin eine Quermitteilung erhalten.

Mehr zur Erbschaftsteuer und den Meldepflichten bei Erbschaft und Schenkungen in diesem Video

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