Testamente zugunsten behandelnder Ärzte lösen oft Verwirrung aus – selbst bei Juristen

Zwar warnte schon der römische Dichter Syrus im ersten Jahrhundert vor Christus: „Der Kranke, der seinen Arzt als Erben einsetzt, tut sich damit keinen Gefallen“. Dennoch kommen manche, vor allem ältere Menschen auf diese Idee, vor allem wenn keine nahen Angehörigen oder gute Freunde mehr da sind. Der Hausarzt ist dann oft eine zentrale Bezugsperson und es liegt nah, ihn zum Erben zu bestimmen. Aber geht das rechtlich überhaupt? [mehr]

 

Beim Erben gilt: Arzt ist nicht gleich Arzt

Wie immer bei den Juristen: Es kommt auf die konkreten Umstände an. Das Ergebnis vorweg: Heimärzten ist es generell verboten. Bei Krankenhausärzten ist es kompliziert. Dagegen können Niedergelassene Ärzte, also zum Beispiel der selbstständige Hausarzt, in aller Regel von ihren Patienten im Testament bedacht werden, zumindest wenn keine dubiosen Begleitumstände vorliegen.

Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist die Testierfreiheit, also der Grundsatz, dass jeder frei bestimmen darf, wer ihn beerben soll. Wenn der Gesetzgeber dieses Prinzip einschränken will, braucht er dazu einen guten Grund und muss ein konkretes Gesetz erlassen.

Ärzte in Alten- und Pflegeheimen

Eine solche Einschränkung der Testierfreiheit, die das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 3.7.1998 – 1 BvR 434/98 als verfassungskonform akzeptiert hat, enthält das Bundes-Heimgesetz in § 14 Absätze 1 und 5. Entsprechende Regelungen finden sich in den Gesetzen der Länder, etwa Art. 8 Absätze 1 und 5 des Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetz. Diese Regelungen verbieten dem Träger, der Leitung und allen Mitarbeitern des Heims (also auch Heimärzten), Schenkungen anzunehmen, die über Bagatellgeschenke wie Blumen, Schokolade oder ein kleines Trinkgeld hinausgehen. Sinn der Regelung ist: Heimbewohner sollen sich keine Vorzugsbehandlung durch eine solche Erbeinsetzung erkaufen können. Oder andersherum betrachtet: Es soll kein Druck auf die Heimbewohner entstehen, dass man nur dann anständig gepflegt wird, wenn man das heim zu seinem Erben einsetzt. Solche letztwillige Verfügungen sind also automatisch unwirksam (§ 14 HeimG i.V.m. § 134 BGB), es gilt stattdessen die gesetzliche Erbfolge.

Doch selbst im Anwendungsbereich des Heimgesetzes gibt es Möglichkeiten, das Heim doch noch zu bedenken, wie der BGH im Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZB 33/10 (auch NJW 2012, 155) entschieden hat. Amtlicher Leitsatz: Das Testament des Angehörigen eines Heimbewohners, mit dem der Heimträger zum Nacherben eingesetzt wird und von dem dieser erst nach dem Tode des Erblassers erfährt, ist nicht nach § 14 Abs. 1 HeimG i.V.m. § 134 BGB unwirksam. [Download des gesamten Urteils als PDF hier]

Krankenhausärzte, Beamte und BAT-Angestellte

Für Krankenhausärzte gilt zwar nicht das Heimgesetz (bzw. das entsprechende Ländergesetz), allerdings greifen hier andere Normen, die das Erben zwar nicht kategorisch verbieten, aber schwierig und in gewissen Konstellationen etwas riskant machen.

Für verbeamtete oder angestellte Ärzte gelten die § 43 Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG), § 70 Bundesbeamtengesetz (BBG) bzw. § 10 Bundesangestelltentarifvertrag (BAT). Nach all diesen Normen hängt es von der Genehmigung des Dienstherren bzw. Arbeitgebers ab, ob der Beamte bzw. Mitarbeiter Belohnungen und Geschenke annehmen darf. Nach der Rechtsprechung gilt das auch für letztwillige Verfügungen (vgl. BayObLG, NJW 1995, 3260; BAGE 45, 325 = NVwZ 1985, 142, hier hatte der Arbeitgeber die Zustimmung zur Annahme eines Vermächtnisses verweigert). In der Praxis werden solche Genehmigungen meist verweigert, weil man von einer Vermutung ausgeht, dass die dienstlichen Entscheidungen des Beamten bzw. Arbeitnehmers durch die Zuwendung beeinflusst werden können. Diese Normen bezwecken ja gerade, bereits den Anschein von Vetternwirtschaft und Käuflichkeit zu vermeiden.

Die Juristen streiten sich über die technische Frage, ob die Erbeinsetzung automatisch unwirksam ist, wenn diese Genehmigung verweigert wird (ob es sich bei diesen Normen also um Verbotsgesetze im Sinn des § 134 BGB handelt) oder ob der Beamte / Angestellte die Erbschaft bei verweigerter Genehmigung ausschlagen muss. Das Ergebnis bleibt identisch.

Selbstständige Ärzte

Für den selbständig tätigen Arzt in eigener Praxis gelten alle oben genannten Verbotsnormen nicht. Dennoch meinen viele Ärzte, eine Erbeinsetzung sei durch die ärztliche Berufsordnung verboten, konkret durch § 32 Muster-Berufsordnung (MBO) bzw. seine jeweiligen Umsetzungen durch Ärztekammern verschiedener Bundesländer). Diese Frage ist noch nicht durch die Rechtsprechung geklärt.

Nach überwiegender Meinung in der juristischen Literatur (vgl. Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, C.H. Beck-Verlag, 3. Auflage, § 95, Rdnr. 21) steht § 32 MBO einer Erbeinsetzung des selbstständigen Arztes nicht entgegen. Erstens handelt es bei der Berufsordnung schon nicht um ein Gesetz, sondern „nur“ um eine Satzung, sie ist also kein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB. Zudem ist auch fraglich, ob der Wortlaut des § 32 MBO solche letztwilligen Zuwendungen überhaupt verbietet. Der Paragraph steht unter der Abschnittsüberschrift „Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit bei der Zusammenarbeit mit Dritten“. Im Focus steht also, die Einflussnahme durch die Pharmaindustrie abzuwehren. Im Hinblick auf die vom Grundgesetz geschützte Testierfreiheit muss der Wortlaut restriktiv interpretiert werden.

Im Ergebnis können selbständig tätige Ärzte daher von ihren Patienten als Erben eingesetzt werden und haben meines Erachtens auch keine berufsrechtlichen Sanktionen zu befürchten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Patient von sich aus auf diese Idee gekommen ist und der Arzt sich dabei passiv verhält. Völlig unproblematisch dürften die Fälle eines „Stillen Testaments“ sein, wenn der Arzt zu Lebzeiten des Patienten also gar nichts davon weiß, dass er eine Erbschaft oder ein Vermächtnis erhalten soll. Ein Arzt sollte daher den Patienten nicht beeinflussen oder aktiv an der Errichtung eines Testamtens mitwirken. Der Patient wiederum sollte in seinem Testament inhaltlich begründen, warum er den Arzt als Erben einsetzt und dass er dies ohne jede Einflussnahme des Arztes tut. All das schützt natürlich nicht davor, dass Angehörige des Patienten, die durch das Testament zugunsten des Arztes enterbt werden, Zeter und Mordio schreien und gegen das Testament vorgehen. Ein solcher Prozess ist für den Arzt zwar unerfreulich, aber unter den oben genannten Voraussetzungen werden die Verwandten in aller Regel keinen Erfolg haben.

In anrüchigen Fallkonstellationen, die laut Medienberichterstattung wohl durchaus vorkommen (siehe etwa ARD-Sendung Panorama vom 27.08.2009 „Der Patient als Beute: Dubiose Erbschaften von Ärzten), kann § 32 MBO dennoch greifen. Hier ist dann auch eine Unwirksamkeit des Testaments wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Absatz 1 BGB denkbar.

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© Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl, Master of Laws (England), Kanzlei Graf & Partner München & Regensburg  www.grafpartner.com

Weitere Informationen zu Testamentsgestaltung und Erbrecht hier:
Testierunfähigkeit wegen Demenz
Wie geht ein Berliner Testament (Mustertext)
Info-Broschüre “Fakten zum Erbrecht”
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