Viele Ehepaare hören oder lesen, dass „man am besten“ ein „Berliner Testament“ macht. Also ab in die Buchhandlung oder ins Internet, ein Muster-Testament abgeschrieben und in die Schublade damit. Thema erledigt! Wirklich?

Tatsächlich trifft das Berliner Testament in vielen Fällen den Bedarf der Eheleute. Nur: Auch beim Berliner Testament gibt es Unterschiede. Diese muss man kennen, sonst drohen später böse Überraschungen für den länger lebenden Ehegatten.
Was ist das Prinzip des Berliner Testaments? Beim Tod des ersten Ehegatten erbt zunächst der Partner. Im Umkehrschluss bedeutet das, die Kinder sind beim Tod des ersten Elternteils enterbt, denn sie hätten ja ein gesetzliches Erbrecht. Das harte Wort „enterbt“ gefällt den Mandanten meistens gar nicht, doch technisch gesehen ist es so. Dass die Kinder nach dem Tod des zweiten Ehegatten „alles“ erben sollen, ändert nichts an der Tatsache, dass sie beim Tod des ersten Elternteils leer ausgehen. Daraus ergibt sich auch das erste Risiko des Berliner Testaments: Das enterbte Kind kann seinen Pflichtteil geltend machen, also Zahlung eines Geldbetrags vom länger lebenden Elternteil verlangen. Besteht das Erbe überwiegend aus Sachwerten (Familienhaus), kann es schwierig werden, den Pflichtteil in bar aufzutreiben.
Das zweite Risiko ist die sog. Bindungswirkung. Die Eheleute ordnen im Berliner Testament ja zwei verschiedene Dinge an: Im ersten Schritt setzen sie sich gegenseitig als Alleinerben ein. Im zweiten Schritt legen sie aber auch schon fest, wer beim Tod des zweiten Ehegatten erben soll (in der Regel die gemeinsamen Kinder). Zu Lebzeiten kann man diese Anordnung natürlich ändern. Doch sobald der erste Ehegatte verstirbt, wird die zweite Erbanordnung bindend. Ähnlich wie bei einem Erbvertrag kommt der länger lebende Ehegatte von dieser Erbeinsetzung also nicht mehr weg, auch wenn er sich anders überlegt (zum Beispiel weil das Kind später lieblos ist und sich nicht kümmert). Wollen die Ehegatten diese Bindungswirkung nicht, können sie dies im Testament anders regeln. Dann – aber nur dann – kann der länger Lebende auch später noch die Erben austauschen.
Auch steuerlich kann das Berliner Testament nach hinten losgehen. Dass zunächst der überlebende Ehegatte alles erbt hat einen erheblichen Nachteil: Man verschenkt die Freibeträge der Kinder. Derzeit (2008) hat jedes Kind, wenn es von einem verstorbenen Elternteil erbt, einen Freibetrag von 205.000 Euro – und zwar pro Elternteil. Nach dem Tod beider Elternteile stehen dem Kind also insgesamt betrachtet 410.000 Euro steuerfrei zu. Wenn aber – wie beim Berliner Testament – der länger lebende Gatte als Alleinerbe eingesetzt ist, kommt der Freibetrag nur einmal zur Anwendung. Die anderen 205.000 Euro verfallen. Ab 2009 werden die Steuerfreibeträge voraussichtlich höher sein, dafür werden aber Immobilien auch mit ihrem tatsächlichen Wert angesetzt.
Wegen der Risiken eines Berliner Testaments raten manche Anwälte ihren verheiraten Mandanten dazu, besser einzelne Testamente zu verfassen. Daraus resultieren dann aber weder andere Probleme, insbesondere das Risiko, dass die beiden Testamente inhaltlich nicht aufeinander abgestimmt sind. Ein Berliner Testament ist daher immer noch die beste Lösung, wenn man die zu regelnden Details nicht unterschätzt und sich gut informiert. Aus Angst vor Fehlern einfach gar kein Testament zu machen, ist jedenfalls die schlechteste Alternative.
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Weitere Informationen und ein Musterbeispiel (mit erläuternden Anmerkungen) hier
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