Banken-AGBs enthalten oft unerwartete Anforderungen an Erben

Verstirbt jemand, der ein deutsches Bankkonto besaß, wollen die Erben möglichst schnell darauf zugreifen. Handelt es sich um ein Bankkonto, das noch auf einen zweiten Berechtigten läuft (zum Beispiel ein Ehegattenkonto), hat der überlebende Ehegatte meist weiterhin Zugriff, muss also nicht auf einen Erbschein warten oder einen sonstigen Erbennachweis erbringen. Ebenso, wenn der Erblasser bereits zu Leibzeiten jemandem eine Bankkontovollmacht über den Tod hinaus eingeräumt hatte, eine sog. transmortale Vollmacht (Vorsicht: im anglo-amerikanischen Rechtskreis gibt es so eine transmortale Vollmacht nicht! Mehr dazu hier).

Einzelkonto ohne transmortale Vollmacht

Was aber, wenn das Konto allein auf den Verstorbenen lautete und dieser auch keine Vollmacht erteilt hatte? Dann fürchten sich Banken davor, das Guthaben an den Falschen auszuzahlen. Je höher das Guthaben, desto ängstlicher die Banken. Sie verlangen daher traditionell einen Erbschein. Nun kostet dieser aber Gerichtsgebühren, je nach Gesamtwert des Nachlassvermögens können das ein paar Tausend Euro sein. So mancher Erbe ärgerte sich deshalb maßlos darüber, dass in einem Erbfall, auch wenn niemand über die Wirksamkeit des Testaments stritt, nur wegen der Bank ein teurer Erbschein beantragt und bezahlt werden musste.

Das ging so lange, bis vor einigen Jahren ein genervter Erbe die betroffene Bank verklagte und im April 2016 promt vom Bundesgerichtshof Recht bekam (Details hier). Seither müssen sich Banken in eindeutigen und unstrittigen Erbfällen damit zufrieden geben, wenn der Erbe als Nachweis seiner Berechtigung das handschriftliche Testament (als gerichtlich beglaubigte Abschrift) in Kombination mit dem Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts vorlegt. Die deutschen Banken und Sparkassen haben Zähne knirschend ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert. Bei der HVB liest sich das zum Beispiel so:

In einfach gelagerten Fällen erhält der Erbe somit seit 2016 auch ohne Erbschein Zugriff auf das Bankkonto des Verstorbenen.

Was aber, wenn die Erben streiten?

Besonders haarig wird es, wenn über die Wirksamkeit eines Testaments gestritten wird, etwa mit dem Argument, das Testament sei gefälscht, der Erblasser sei zu der Zeit, als er das Testament geschrieben hat, dement gewesen oder das Testament sei rückdatiert. Mehr zum Thema Testament und Demenz hier:  „Opa war doch längst dement!“ – Wie beweist man Testierunfähigkeit? und hier Testierunfähigkeit wegen Demenz.

Während ein solcher Erbstreit läuft, wird das Nachlassgericht in aller Regel keinen Erbschein erlassen, unabhängig davon, ob im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens am Nachlassgericht (Abteilung des Amtsgerichts) gestritten wird oder die Parteien sogar schon auf die Ebene Feststellungsklage über die Erbenstellung zum Landgericht gewechselt haben, also einen „echten Zivilprozess“ führen.

Mutige Erben, die vom Nachlassgericht bereits eine beglaubigte Kopie des Testaments mit Eröffnungsprotokoll erhalten haben, bevor der Erbstreit „offiziell ausgebrochen“ ist, können versuchen, das Bankkonto noch schnell leer zu räumen, bevor die betroffene Bank vom Erbstreit erfährt. Das ist aber natürlich ein riskanter Ansatz, weil sowohl die Bank als auch die anderen (potentiellen) Erben das später nicht lustig finden werden. Man kann auf die Idee kommen, ein solches Vorgehen als Betrug zu werten, jedenfalls aber als eigenmächtige Verfügung über das Erbe, bevor die Erbenstellung endgültig geklärt ist. Sinnvoller, jedenfalls juristisch weniger riskant, ist es daher wohl in den meisten Fällen, zunächst einmal gerichtlich final zu klären, wer denn nun Erbe ist.

Feststellungsurteil über die Erbenstellung gilt nichts?

Auf den ersten Blick meint man, dass der Königsweg des Erbennachweises ja wohl ein rechtskräftiges Feststellungsurteil des Landgerichts oder Oberlandesgerichts sein dürfte (grafische Übersicht über die Zivilgerichte in Deutschland auf unserer ZPO-Website für englischsprachige Mandanten hier). Wenn die Beteiligten des Erbfalls also nicht nur im Rahmen des Nachlassverfahrens über den Erbschein streiten, sondern einen „echten Zivilprozess“ vor dem Landgericht führen, der mit einem Feststellungsurteil endet. Tenor eines solchen Feststellungsurteils ist:

„Es wird festgestellt, dass der am … verstorbene A von B allein beerbt wurde.“

Eindeutiger geht es nicht, richtig? Da kennt man Banken aber schlecht. So manche Rechtsabteilung einer deutschen Bank ist sich nicht zu schade, in diesen Fällen zu behaupten, dass das Feststellungsurteil gegenüber der Bank als Nachweis der Erbenstellung „untauglich“ sei. Die Bank verlangt dann – trotz rechtskräftigem Urteil – immer noch eine Kopie des Testaments plus Eröffnungsprotokoll.

So schreibt ein Mitarbeiter des Nachlass Centers der HVB-München in einem aktuellen Fall unserer Kanzlei Ende 2018 allen Ernstes:

„Wir bitten deshalb um Verständnis, dass wir das Urteil des LG Regensburg (selbst mit Rechtskraftvermerk) nicht als tauglichen Erbnachweis akzeptieren können.“

Das Argument: Ein Urteil entfalte nur Rechtskraftwirkung zwischen den Prozessparteien, nicht aber gegenüber Dritten, also der Bank. Dies sei gerade der Unterschied zum Erbschein, der gegenüber Jedermann wirke.

Formalistisch gesehen nicht ganz falsch, vom praktischen Ergebnis her aber Unsinn, weil sich natürlich alle an das Urteil des Zivilgerichts halten, insbesondere auch das Nachlassgericht.

Besonders absurd ist dann aber, was die Bank anstelle des Urteils akzeptiert, Zitat aus dem HVB-Schreiben (Hervorhebung von mir):

Gemäß Ziff. 5 unserer AGB stellt eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie der letztwilligen Verfügung nebst Eröffnungsniederschrift einen verlässlichen Erbnachweis dar.

Was für ein Unsinn. In denselben AGBs steht nämlich, dass dies gerade nicht gilt, wenn über die Wirksamkeit des Testaments gestritten wird. In unserem Fall wurde gestritten, über drei Jahre, mit Schriftgutachten, Psychiater und vielen Schriftsätzen, für 40.000 Euro Prozesskosten. Das Ergebnis war ein ausführlich über 15 Seiten begründetes Feststellungsurteil.

Das beeindruckt die HVB aber nicht. Für die HVB-Bank genügt aber als „verlässlicher Erbnachweis“ die Kopie des Testaments und das Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts, welches vom Nachlassgericht ohne jede Prüfung der Wirksamkeit des Testaments ausgefertigt wurde.

Bankerlogik!

Konsequent wäre der Hinweis der Bank auf die fehlende Drittewirkung des Feststellungsurteils nur, wenn die Bank dann konsequenterweise doch wieder einen Erbschein verlangen würde. Das traut sich die HVB-Rechtsabteilung im Hinblick auf das BGH-Urteil von 2016 dann doch nicht. Deshalb das völlig unlogische Verlangen eines (längst überholten) Eröffnungsprotokolls, das keinerlei juristischen Prüfungsmehrwert beinhaltet. Aber wenn es die HVB glücklich macht, dann sei es so.

Zum Thema Erbschaftsprozess in internationalen Erbfällen hier.

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Die 2003 gegründete Anwaltskanzlei Graf & Partner ist neben der Beratung in deutschen Erbfällen auch spezialisiert auf Erbfälle mit Bezug zu Österreich, der Schweiz sowie zu  anglo-amerikanischen Jurisdiktionen (England, Schottland, USA, Kanada, Australien und Südafrika). Wir prüfen und strukturieren den Erbfall und dessen steuerlichen Auswirkungen, organisieren die in den jeweiligen Ländern nötigen Maßnahmen und koordinieren die Nachlassabwicklung. Dies vermeidet Doppelarbeit und beschleunigt den Zugriff auf das ausländische Erbe.

Falls Sie bei einem konkreten Erbfall rechtliche Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte der Kanzlei Graf & Partner sowie deren Partneranwälte in Österreich, der Schweiz, England, Schottland und Irland gerne zur Verfügung. Ihre Ansprechpartner sind Rechtsanwältin Katrin Groll und Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), zentrale Rufnummer: 0941 463 7070.