Viele Muster-Verfallklauseln in Vertragshandbüchern sind seit 2018 unwirksam

Arbeitsverträge enthalten in der Regel sogenannte Verfallklauseln. Diese regeln, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr geltend gemacht werden können, wenn eine bestimmte Frist abgelaufen ist. Arbeitnehmern ist das oft nicht klar und sie warten deshalb oft zu lange damit, offene Zahlungs- oder Urlaubs(entschädigungs)ansprüche geltend zu machen.  In diesen Konstellationen konnten sich Arbeitgeber dann entspannt zurücklegen. Denn wurden die Ansprüche nicht innerhalb der (meist 2-stufigen) Ausschlussfrist geltend gemacht, war der Anspruch verloren.

Laut BAG gelten Verfallklauseln aber nicht für Mindestlohn

Am 18.9.2018 (9 AZR 162/18) urteilte nun aber das Bundesarbeitsgericht, dass solche Verfallklauseln auf den Mindestlohn nicht anwendbar sind. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer auch weiterhin Anspruch auf seinen (rückständigen) Mindestlohn hat, auch wenn die in einer Verfallklausel enthaltenen Frist bereits verstrichen ist.

Na was soll’s, werden sich viele Chefs nun denken. In den meisten Fällen wird ja nicht um Mindestlohn gestritten. Das eigentliche Risiko dieses Urteils liegt für die Arbeitgeber aber woanders: Verfallklauseln in Arbeitsverträgen sind nämlich seit diesem BAG-Urteil nun generell unwirksam, wenn der Text der Verfallklausel nicht ausdrücklich klar stellt, dass der Mindestlohnanspruch gerade nicht erfasst wird.

Musterverträge in Formularbüchern enthalten unwirksame Klauseln

Da es sich um ein Urteil aus dem Herbst 2018 handelt, kann diese Rechtsprechung logischerweise noch nicht in die juristischen Musterformularbücher eingearbeitet sein. Wenn ein Unternehmen oder dessen Inhouse Lawyer nicht bereits ein brandaktuelles Formularbuch aus 2019 hat, ist deshalb höchste Vorsicht geboten.

Da es den Mindestlohn erst seit 01.01.2015 gibt, gilt diese Rechtsprechung wohl nur für Arbeitsverträge, die ab dem 01.01.2015 geschlossen wurden. Für sog. „Altverträge“, die vor dem 01.01.2015 unterzeichnet wurden, gilt diese Rechtsprechung nicht. Hier müssen Arbeitnehmer ihre sonstigen Ansprüche also weiterhin innerhalb der Fristen geltend machen.

Die BAG-Entscheidung im Volltext steht hier zum Download.

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