Der Inhaber eines Weinguts offenbarte einem seiner Arbeitnehmer, dass diesem voraussichtlich demnächst gekündigt wird. Schwupps: Am nächsten Tag war der Arbeitnehmer krank, was er mit einem Arztattest belegte. Der Arbeitgeber hielt die Arbeitsunfähigkeit für vorgetäuscht und kündigte nun fristlos. Im anschließenden Kündigungsschutzprozess beharrte der Arbeitnehmer darauf, dass die Vorlage eines Arztattestes mit dem Vermerk „arbeitsunfähig krank“ als Beweis ausreicht. Weitere Angaben müsse er nicht machen.
Falsch, bescheinigte ihm das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 06.06.2013; Az.: 10 Sa 17/13): Ärztliche Atteste besitzten zwar prinzipiell einen hohen Beweiswert für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit. In „auffälligen Konstellationen“ – wie hier – sei der prima vista Beweiswert eines generischen Arztattestes erschüttert, wenn das Gericht Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hat. In solchen Fällen muss der Arbeitnehmer – will er den Prozess nicht verlieren – substantiiert darlegen, um welche Krankheit es sich handelt und warum diese zur Arbeitsunfähigkeit führt (also Vortrag zu den gesundheitlichen Einschränkungen, den ärztlichen Verhaltensanweisungen und der Medikation). Um den Beweis führen zu können, kann es nötig werden, den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Ist nach einer solchen Beweisaufnahme der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit wiederhergestellt, trägt der Arbeitgeber die Beweislast für seine Behauptung, dass die Krankheit vom Arbeitnehmer ggf. nur vorgetäuscht ist.
Fazit: Arbeitgeber sind also gegenüber ärztlichen Attesten nicht völlig wehrlos. Ein auffälliger zeitlicher Ablauf kann schon dazu führen, das das Arbeitsgericht Zweifel an einer tatsächlichen Erkrankung hat. Umso mehr natürlich unbedachte Äußerungen des Arbeitnehmers wie: „Dann bin ich eben ab morgen krank“. So ein Arztbesuch kann für den Arbeitnehmer nach hinten losgehen.
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