Nur wenige Unternehmer haben konkrete Notfallpläne
Sie sind Unternehmer oder Freiberufler? Dann stellen Sie sich einmal vor, auf der Heimfahrt heute Abend fährt Ihnen ein Betrunkener in den Wagen: Sie liegen drei Monate schwer verletzt auf der Intensivstation, dann sind Sie weitere drei Monate auf Reha und stehen unter starken Medikamenten. Nach einem halben Jahr kommen Sie in den Betrieb zurück. Gibt es Ihr Unternehmen, Ihre Kanzlei oder Praxis dann noch oder ist Ihr Lebenswerk zerstört? Die Kunden abgewandert, die Projekte eingeschlafen, die besten Mitarbeiter weg?
Wer jetzt sagt, „das passiert mir nicht“, ist nicht allein. Das Erstellen konkreter Notfallpläne gehört nämlich nicht zu den Stärken der meisten Unternehmer. Krankheit, Unfall oder gar Tod sind für Machertypen oft Tabuthemen. Gerade einmal drei von zehn Mittelstandsfirmen haben sich laut IHK mit dem Thema so beschäftigt, dass zumindest irgendeine Art von Notfallplan existiert. Bei zwei Dritteln der Unternehmen bricht dagegen Chaos aus: Wer kann und darf die Geschäfte weiterführen? Wo sind Pins, Tresorschlüssel, Passwörter, wichtige Dokumente und Konzepte? Hat überhaupt jemand eine Vollmacht für die Geschäftskonten? (…)Ohne professionelle Vorbereitungen stehen im Notfall alle Räder still: Rechnungen und Gehälter werden nicht bezahlt, Bestellungen, Angebote und Aufträge nicht bearbeitet, wichtige Entscheidungen können nicht getroffen werden. An Akquise neuer Kunden oder Konzeptarbeit ist erst gar nicht zu denken. Simple Lösungen für das Problem scheitern oft an juristischen Fallstricken: Wenn zum Beispiel der einzige Geschäftsführer einer Ein-Mann-GmbH ausfällt, dann darf die Geschäfte nicht einfach irgendwer fortführen. Ohne gültige Vollmacht spricht die Hausbank gar nicht erst mit dem selbsternannten Not-Manager.
Psychologisch mag die Verdrängung verständlich sein. Aus Sicht des Betriebswirts sind fehlender Notfallplan und unklare Nachfolgregelung schlicht und ergreifend schlechtes Management. Wer sich zwar gegen einen Datenverlust durch IT-Backup absichert, aber keine Vorkehrungen für den Ausfall des Chefs trifft, handelt ebenso unlogisch wie fahrlässig. Die Überlegung, „im Ernstfall machen das meine Frau und meine Kinder schon irgendwie“, geht häufig grandios schief. Dabei lässt sich das Unternehmen mit der richtigen Strategie und einigen praktischen Schritten wirksam schützen.
Erster Schritt: Szenarien durchdenken
Der Chef (und wo vorhanden auch seine Stellvertreter, Prokuristen oder Partner) sollten das Ausfall-Szenario ganz konkret durchspielen. Was passiert, wenn er für mehrere Monate ausfällt? Wer soll das Unternehmen fortführen und was brauchen diese Personen dazu? Welche Informationen, Vollmachten, Leitvorgaben muss man diesen zur Verfügung stellen? Wer nach möglichen Vertretern sucht, denkt natürlich oft an die nächsten Verwandten (Ehefrau, Kinder). Das kann funktionieren, insbesondere wenn diese ohnehin bereits im Betrieb mitarbeiten. „Aber: Nahe Angehörige sind im Ernstfall oft ohnehin schon extrem belastet“, gibt Unternehmensberater Dr. Gerald Schüssel zu bedenken. „Liegt der Unternehmer etwa nach einem Skiunfall im Koma oder auf der Intensivstation, hat seine Frau kaum den Kopf frei, um den Betrieb in dieser Krise professionell zu führen.“ Manchmal ist daher ein externer Interimsmanager die bessere Lösung. Man kann dessen Kompetenzen ja so ausgestalten, dass er bei wichtigen Entscheidungen die Zustimmung einer Vertrauensperson des Unternehmers einholen muss.
Zweiter Schritt: Notfallkoffer
Damit ein Stellvertreter schnell und effizient arbeiten kann, müssen alle nötigen Informationen und Vollmachten gut zugänglich und verständlich aufbereitet sein. In einen solchen „Notfallkoffer“ (in der Realität wird es eher ein Stahlschrank mit einigen Leitzordnern sein) gehören alle wichtigen Dokumente wie Vollmachten, Schlüssel, Zugangscodes, PINs, Versicherungspolicen, Gesellschaftsverträge, Handelsregisterauszüge etc. Ferner die zentralen Informationen und Management-Vorgaben, die der Stellvertreter / Notfallmanager benötigt, um den Betrieb möglichst störungsfrei fortzuführen, z.B. Status der aktuellen Projekte, Liste der wichtigen Kunden und Lieferanten (evtl. mit Hintergrundinfos), Maßnahmenplan und strategische Vorgaben. Damit dieser Notfallkoffer im Ernstfall nicht veraltet ist, sollte er laufend aktualisiert werden.
Wer noch eine zusätzliche Motivation braucht, um sich die Mühen der Erstellung solcher Notfall-Ordner anzutun: Diese Dokumentation kann zugleich als Grundstock für Due Diligence Unterlagen dienen. Wer plant, sein Unternehmen irgendwann zu verkaufen, einen neuen Partner oder Investor aufzunehmen oder gegenüber seiner Bank geordnete Unternehmensverhältnisse nachzuweisen (Stichwort Basel II Rating), kann diese Dokumentation auch für diesen Zweck verwenden.
Weitere Informationen und Praxis-Checklisten bietet die Website des Unternehmensberaters Dr. Gerald Schüssel, der als Diplom-Kaufmann seit Jahren Unternehmen in Krisensituationen begleitet und bei Bedarf auch als Interims-Geschäftsführer einspringt (www.der-krisenmanager.de). Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl (www.grafpartner.com) kennt die möglichen Probleme auch aus seiner Tätigkeit im Erbrecht, da immer wieder Unternehmer verunglücken oder überraschend an Herzinfarkt oder Schlaganfall versterben, ohne ein Testament (mit Anordnungen zum privaten und betrieblichen Bereich) zu hinterlassen. Die Erben stehen dann oft ratlos vor den komplexen juristischen und wirtschaftlichen Fragen. Gemeinsam bieten Dr. Schüssel und Rechtsanwalt Schmeilzl regelmäßige Seminare zu Notfallplanung, Unternehmertestament und Interimsmanagement.
Weitere Beiträge zu Notfallmanagement, Unternehmensübergabe und Vorbereitung des Unternehmensverkaufs: – Checklisten Unternehmensnachfolge und Firmenverkauf– Verkauf von Anwaltskanzlei, Arztpraxis und Unternehmen: Wie berechnet man einen realistischen Kaufpreis
– Nutzungsregeln für den Datenraum (Mustertext)
– Muster Vertraulichkeitsvereinbarung (Muster deutsch / englisch)