Wer in einer Lebensversicherung begünstigt ist, sollte im Todesfall schnell handeln, sonst droht der Widerruf durch die Erben

Der Sachverhalt ist einfach und kommt häufig vor: Jemand hat bei Abschluss einer Lebensversicherung im Formular angekreuzt: „Im Fall meines Todes soll die Versicherungssumme ausbezahlt werden an Person X“. Das nennt man „Benennung eines Bezugsberechtigung“. Mehr zu diesen sogenannten Verträgen zugunsten eines Dritten in diesem Video

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Ein Vorteil dieser Verträge zugunsten eines Dritten: Der im Versicherungsvertrag benannte muss der Versicherungsgesellschaft keinen Erbschein vorlegen (dessen Erteilung ja viele Monate dauern kann und Gebühren kostet). Die Sterbeurkunde genügt, damit die Versicherung ausbezahlt.

Wenn der im Versicherungsvertrag genannte Begünstigte mit dem Erben identisch ist, dann besteht natürlich kein Risiko und kein Streitpotential. In diesem Fall ist diese Person ja unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt berechtigt und hat damit Anspruch auf die Auszahlung.

Wenn der Bezugsberechtigte und der Erbe verschiedene Personen sind

Kritisch wird es, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten im Versicherungsvertrag jemanden als Begünstigten benannt hat, der später dann nicht Erbe wird.

In diesen Konstellationen finden es die Erben oft nicht lustig, dass die Lebensversicherungssumme an jemanden gehen soll, der gar nicht Erbe oder Miterbe ist. Manchmal kommen Erben dann auf die Idee, die Bezugsberechtigung zu widerrufen, denn schließlich gilt in Deutschland die Gesamtrechtsnachfolge, d.h. Erben treten rechtlich in alle Rechtspositionen ein, die der Verstorbene vor seinem Tod innehatte. Und vor dem Tod hätte der Erblasser ja seiner Versicherung jederzeit einen anderen Bezugsberechtigten benennen können. Können das also nach dem Tod nicht auch die Erben? Zumindest bis die Lebensversicherung ausbezahlt hat?

Tatsächlich, ein Widerruf der Bezugsberechtigung durch die Erben ist oft noch möglich

Es erscheint einem seltsam, dass die Erben die Absicht des Versicherungsnehmers nach dessen Tod durchkreuzen könne, doch die Rechtsprechung lässt einen Widerrif der Bezugsberechtigung tatsächlich zu, jedenfalls wenn die Erben ganz schnell handeln.

Es kommt zu einem „Wettlauf zwischen dem Erben und dem im Versicherungsvertrag genannten Begünstigten, bei dem derjenige gewinnt, der gegenüber der Versicherungsgesellschaft schneller handelt. Die Erben können im Ergebnis eine Auszahlung verhindern, wenn sie rechtzeitig widerrufen.

Die juristische Begründung hierfür ist kompliziert. Formaljuristisch wird nämlich nicht die Bezugsberechtigung widerrufen, sondern es wird der Vollzug der Schenkung verhindert.

Wer es ganz genau wissen will: Die Rechtsprechung unterscheidet streng nach dem sogenannten Deckungs- und Valutaverhältnis. Bei einem widerruflichen Bezugsrecht erwirbt die begünstigte Person den Anspruch gegen die Versicherungsgesellschaft mit dem Tode des Versicherungsnehmers (§ 159 Abs. 2 VVG). Das Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers (und damit auch seiner Erben) erlischt mit dem Tod des Versicherungsnehmers. Im Verhältnis zwischen Versicherung und Begünstigtem (Deckungsverhältnis) ist die Versicherung daher verpflichtet, dem im Vertrag genannten Begünstigten die Leistung zu erbringen.

Aber: Faktisch wird die Erfüllung dieses Anspruchs durch den Widerruf des Erben dann doch verhindert. Denn der Begünstigte darf in dieser Fallkonstellation eines rechtzeitigen Widerrufs die Versicherungsleistung nicht behalten, weil kein wirksamer Rechtsgrund dafür mehr vorliegt. Der wirksame Rechtsgrund wäre eine Schenkung des Versicherungsnehmers (also des Verstorbenen) an den im vertrag benannten Begünstigten.

Schenkungen sind aber nur wirksam, wenn entweder das Schenkungsversprechen notariell beurkundet wurde (§ 518 Abs. 1 S. 2 BGB) oder die Schenkung erfüllt ist. Nun werden Lebensversicherungsverträge natürlich in aller Regel nicht notariell beurkundet. Ob ein Erfüllungsvertrag die zunächst nichtige Schenkung heilt, kommt deshalb daher darauf an, ob die Versicherungsgesellschaft als Botin noch eine Schenkungsangebot übermitteln konnte. Nach erfolgtem Widerruf durch den oder die Erben des Verstorbenen kann / darf die Versicherung dies nicht mehr.

Wem das jetzt zu kompliziert ist, der muss sich nicht grämen. Das verstehen selbst Jurastudenten – wenn überhaupt – erst in höheren Semestern. Wer es immer noch nicht glauben kann oder die Details der Begründung in den Urteilen nachlesen möchte, findet hier die relevanten Entscheidungen: OLG München, Urteil vom 8.5.2009 – 25 U 4318/08; BGH-Urteil vom 21.5.2008 – IV ZR 238/06 (OLG Schleswig).

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Praxistipp: Doppelten Widerruf erklären

Für die Praxis ist wichtig: Sind Erben schnell genug, können sie die Auszahlung einer Lebensversicherung an einen Begünstigten häufig verhindern oder – wenn die Versicherung trotzdem auszahlt – den Betrag vom Begünstigten zurückverlangen.

Das Zustandekommen des Schenkungsvertrags im Valutaverhältnis kann ein Erbe auf zwei Arten verhindern:

  1. Wenn die Erben rechtzeitig den Botenauftrag des Versicherungsunternehmens widerrufen. Dann kann die Versicherung kein wirksames Schenkungsangebot mehr übermitteln.
  2. Wenn die Erben das Schenkungsangebot nach § 131 Abs. 1 S. 2 BGB gegenüber dem Bezugsberechtigten selbst widerrufen, bevor es diesem zugeht.

Sicherheitshalber sollten Erben, die die Auszahlung der Lebensversicherung verhindern wollen, zweigleisig fahren, also beide Widerrufe erklären.

In den Details gibt es natürlich viele weitere problematische Fragen und Stolperfallen. Zum Beispiel: Können die Erben den Widerruf gegenüber der Versicherungsgesellschaft schon vor Erteilung des Erbscheins wirksam erklären oder müssen sie (Monate) auf den Erbschein warten? Kann ein Anwalt den Widerruf für seine Mandanten (die Erben) erklären, ohne eine Originalvollmacht beizufügen?

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Hier finden Sie weitere Infos zum Erbrecht

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