Unfallgeschädigte lassen sich oft zu billig abspeisen. Bei mehr als zwei Millionen Verkehrsunfällen pro Jahr entstehen den Kfz-Haftpflichtversicherungen enorme Ausgaben. Sie versuchen deshalb nicht selten, bei der Regulierung von Verkehrunfällen zu sparen. In fast allen Fällen bieten die Versicherungen zunächst nur einen Betrag an, der deutlich unter dem liegt, was ein Gericht dem Unfallgeschädigten zusprechen würde. Das erkennt man daran, dass die Versicherungen ihr Angebot meist sofort um 20 bis 50 Prozent aufstocken, sobald der Geschädigte eine Anwaltskanzlei einschaltet. Dieser Betrag gibt eine erste Orientierung, welche Schadensposten die Versicherung ersetzen muss.
Gerichte unterscheiden Sach- und Personenschäden: Zum Sachschaden gehören zunächst einmal die Reparaturkosten. Hier hat der Geschädigte ein Wahlrecht zwischen fiktiver (auch Abrechnung auf Gutachtenbasis genannt) und konkreter Schadensabrechnung. Letztere erfolgt schlicht durch Vorlage der Reparaturrechnung der Werkstatt. Liegt der Rechnungsbetrag im üblichen Rahmen, wird er meist anstandslos und ohne Abzug erstattet. Der Geschädigte muss den Wagen aber nicht zwingend reparieren lassen. Er kann den Schaden am Wagen auch belassen und Ersatz in Geld verlangen. Bei dieser Abrechnung auf Gutachtenbasis werden diejenigen Kosten ersetzt, die laut Sachverständigem bei einer Reparatur angefallen wären. Der Geschädigte hat also die Wahl: Er kann sein Auto entweder gar nicht, selbst oder günstiger als in einer Fachwerkstatt reparieren (lassen), wobei dann allerdings nur der Nettobetrag der (fiktiven) Werkstattkosten erstattet wird, also keine Umsatzsteuer. Dies sollte man bei der eigenen Kostenkalkulation bedenken.
Daneben hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz des sog. „merkantilen Minderwertes“. Der Grund ist, dass ein Unfallfahrzeug (auch nach fachmännischer Reparatur) später nur mit einem Preisabschlag weiterzuverkaufen wäre, was letztlich ein – wenn auch nur theoretischer – Vermögensschaden für den Geschädigten ist.
In allen Fällen gilt aber eine Obergrenze: Versicherungen ersetzen Reparaturkosten nur, soweit diese nicht mehr als 30 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert liegen. Übersteigen die Reparaturkosten diese Grenze, liegt ein sog. „wirtschaftlicher Totalschaden“ vor: Eine Reparatur wäre wirtschaftlich unsinnig. Hier ersetzen die Versicherungen nur den Wiederbeschaffungswert für einen gleichwertigen Wagen.
Die Versicherung muss auch den Sachverständigen zahlen. Vorsicht geboten ist hier allerdings bei Bagatellschäden: Liegen die Reparaturkosten unter 750 Euro, lehnt die Versicherung eine Übernahme von Gutachterkosten oft mit Hinweis auf die sog. Schadensminderungspflicht ab. Ein Sachverständiger sollte bei kleineren Schäden daher nur nach Rücksprache mit der Haftpflichtversicherung beauftragt werden. Wichtig ist: Entgegen mancher Auskünfte von Haftpflichtversicherern darf der Geschädigte selbst auswählen, welchen Gutachter und welche Werkstatt er beauftragt.
Für die Ausfallzeit des Fahrzeugs kann der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug mieten. Da hier hohe Kosten entstehen, prüfen die Versicherungen oft sehr genau, ob dies wirklich nötig ist. Man muss damit rechnen, dass die Versicherung sog. „ersparte Eigenkosten“ (zwischen drei bis 15 Prozent) abzieht. Viele Versicherer verzichten allerdings auf diesen Abzug, wenn ein klassentieferes Kfz angemietet wird. Wer sein Auto nur sehr wenig nutzt, sollte auf einen Ersatzmietwagen verzichten und stattdessen den Nutzungsausfall geltend machen. Sowohl Nutzungsausfall als auch Mietkosten werden natürlich nur ersetzt, wenn der Wagen auch tatsächlich ausfällt – also nicht bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis. Auch Abschlepp- und Bergungskosten muss die Versicherung des Unfallgegners voll bezahlen. Ebenso die Kosten für den Rechtsanwalt des Geschädigten, sofern es sich nicht nur um einen Bagatellschaden handelt.
Personenschäden sind vorrangig Heilbehandlungskosten (z. B. Eigenanteil an Arzt- und Rehakosten, Medikamentenzuzahlung), Verdienstausfall und Schmerzensgeld. Letzteres ist häufig Grund für Streit mit den Haftpflichtversicherungen. Denn für die Höhe des Schmerzensgelds gibt es keine festen Regeln. Diese muss vielmehr in jedem Einzelfall individuell bestimmt werden. Zwar geben Schmerzensgeldtabellen eine grobe Orientierungshilfe – doch ersetzen diese keinesfalls eine detaillierte Darstellung aller für die konkrete Bemessung relevanten Gesamtumstände, die gegenüber der Versicherung vorzutragen sind. Um Beweisprobleme zu vermeiden, sollte der Geschädigte sofort zum Arzt gehen, wenn Anzeichen für eine Verletzung auftauchen. Besonders problematisch ist das sog. „Schleudertrauma“, weil es für die dadurch verursachten Beschwerden kaum objektive Beweise gibt. Bei allen Schadensposten gilt: Sämtliche Positionen frühzeitig und so exakt wie möglich zu dokumentieren, insbesondere durch Quittungen, Arztatteste und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.