Eine böse Überraschung können all die erleben, die auf „Tricks“ gegen Abmahnungen der Kanzlei Negele Zimmel Kremer Greuther hereinfallen. Diese Kanzlei versendet Unterlassungsaufforderungen wegen Urheberrechtsverletzungen. Der Abgemahnte soll entweder selbst oder als sog. Störer per Filesharing eine oder mehrere urheberrechtlich geschützte Datei(en) zum Download angeboten haben.
Auf einem Onlineportal, auf welchem Anwälte selbstgestrickte Fachartikel präsentieren, wird dem noch Ahnungslosen nun geraten, er solle die Abmahnung wegen fehlender Vollmachtsvorlage gemäß § 174 BGB unverzüglich zurückweisen und eine Unterlassungserklärung direkt an den Urheberrechtsinhaber schicken. Dann sei er fein raus und hätte alles richtig gemacht. Die abmahnenden Kollegen hätten dann das Nachsehen und könnten insbesondere keine Anwaltsgebühren fordern.
Sicher ist hier nur eins: Dieser Rechtsrat ist nicht nur gruselig, sondern zudem falsch.
Richtig stellt der Beitrag zwar fest, dass den Abmahnungen – wenn überhaupt – meist nur unspezifische Generalvollmachten (jedenfalls selten Originale) beigefügt werden. Dies stört die Gerichte aber herzlich wenig, denn weder für die Zulässigkeit, noch für die Begründetheit einer Unterlassungsklage kommt es darauf an, ob überhaupt abgemahnt wurde. Die Abmahnung stellt nämlich nur einen (optionalen) Versuch dar, den Streit vorprozessual beizulegen. Der Anspruchsinhaber könnte aber auch sofort klagen. Da der Abmahnende dann jedoch – im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses – auf den Kosten sitzen bleiben kann, bemüht man meist doch zunächst das Instrument der Abmahnung.
Da den Abmahnschreiben aber zugleich eine vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung beigefügt ist, handelt es sich – entgegen der Auffassung des tippgebenden Kollegen – gerade nicht um eine einseitige Rechtshandlung. Dann wäre richtigerweise § 174 BGB anwendbar, da bei einseitigen Rechtsgeschäften eine Vertretung ohne Vertretungsmacht gemäß § 180 BGB nicht zulässig ist. Hierauf sind die Kanzleien, die Urheberrechtsverstöße abmahnen, aber auch schon gekommen und gestalten die Abmahnschreiben nicht als einseitige Rechtsgeschäfte (lediglich Abmahnung). Vielmehr bieten sie dem Abgemahnten den Abschluss eines Unterlassungsvertrages an, indem gleich die geforderte Unterlassungserklärung nebst Kostentragungspflicht beigefügt wird. Nach derzeit (noch) herrschender Rechtsprechung ist § 174 BGB jedoch gerade nicht anwendbar, wenn eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung beigefügt ist.
Auch irrt der Kollege bezüglich der Beweislast des Zugangs der Abmahnung. Der Kollege hatte behauptet, dass der Abmahnende den Zugang der Abmahnung beweisen müsse. Zudem könne man ja behaupten, dass die Abmahnung an einem anderen Tag zugegangen sei, damit man noch unverzüglich i.S.d. § 174 BGB die Abmahnung zurückweisen könne. Der BGH (Beschluss vom 21.12.2006, AZ I ZB 17/06) entschied hingegen, dass der Abmahner lediglich das Absenden der Abmahnung nachweisen muss. Der BGH hat hierzu in den amtlichen Leitsätzen ausgeführt:
„Den Beklagten, der im Wettbewerbsprozess auf die Klageerhebung hin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat und geltend macht, ihm sei die Abmahnung des Klägers nicht zugegangen, trifft grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer dem Kläger die Prozesskosten auferlegenden Entscheidung nach § 93 ZPO. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast ist der Kläger lediglich gehalten, substantiiert darzulegen, dass das Abmahnschreiben abgesandt worden ist. Kann nicht festgestellt werden, ob das Abmahnschreiben dem Beklagten zugegangen ist oder nicht, ist für eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO kein Raum.“
Also andersrum wird ein Schuh daraus: Der Abgemahnte muss beweisen, dass er keine Abmahnung erhalten hat, denn er ist im Prozess für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 93 ZPO beweisbelastet.
Das Hinmogeln eines falschen Zugangsdatums könnte sich ebenfalls schnell als Bumerang erweisen. Meist sprechen schon die allgemeinen Postlaufzeiten gegen einen wesentlich späteren Zeitpunkt des Erhalts der Abmahnung. Spätestens wenn man dies gegenüber dem Gericht behaupten sollte, könnte zudem noch ein versuchter Prozessbetrug im Raume stehen. Toller Trick mit großen Nebenwirkungen!
Fazit: Nicht alle „Tricks“ im Internet halten was sie versprechen. Auch nicht, wenn sie von Anwälten stammen. Dem Kollegen ist anzuraten, eine Standleitung zu seiner Berufshaftpflichtversicherung einzurichten.