Geschickte Testamentsgestaltung spart den Erben viel Geld

Wer Vermögen im Ausland besitzt muss davon ausgehen, dass seine Erben auch in diesen Ländern einen Erbschein oder ein sonstiges Nachlasszeugnis beantragen müssen. Der deutsche Erbschein allein genügt in aller Regel nicht, damit ausländische Banken oder Versicherungen die Konten des Erblassers freigeben (Details hier).

Das nächste Problem ist, dass viele ausländische Rechtsordnungen nicht mit dem Konzept „Gesamtrechtsnachfolge“ arbeiten. Für den deutschen Juristen ist selbstverständlich, dass der Erbe sofort nach dem Erbfall agieren kann und alle Rechte hat. In den meisten Ländern ist das aber gerade nicht so. Vor allem die vom Common Law geprägten Nationen – und das sind ziemlich viele – arbeiten mit einem „Personal Representative“, ein zwingend erforderlicher Nachlassabwickler, der die Erbmasse in Besitz nimmt, Verbindlichkeiten begleicht, den Nachlass verwaltet (manchmal über Jahrzehnte in Form des Estate Trust) und erst später den verbleibenden Überschuss einmal an die Begünstigten, die sog. Beneficiaries, auszahlt (Details dazu hier).  Aber nicht nur das Common Law arbeitet so. Auch in Österreich gibt es zwingend das sogenannte Verlassenschaftsverfahren, dem ein ähnlicher Gedanke zugrunde liegt, wie dem Personal Representative im Common Law.

Wenn ein Nachlassrichter in einem solchen Land ein deutsches Testa-ment in die Hand bekommt, dann kann er mit der Terminologie „Erbe“ wenig anfangen. Ihm fehlt der für ihn zentrale Satz: „Mein Executor (und Trustee) ist Herr/Frau XY.“ In diesen Fällen beginnt dann die schwierige Auslegung, was das deutsche Testament denn nun innerhalb der fremden Rechtsordnung bedeuten soll. Oft wird im Ergebnis die im Testament als Erbe genannte Person auch als Executor akzeptiert, aber selbstverständlich ist das nicht. In einem aktuellen Fall unserer Kanzlei, dessen einzige Besonderheit darin bestand, dass der deutsche Erblasser ein Bankkonto in Edinburgh hatte, überlegt der schottische Nachlassrichter seit mehr als sechs Monaten, ob er die deutschen Erben als Personal Representatives akzeptieren kann oder ob das Gericht besser einen ortsansässigen Solicitor damit beauftragt. Schon jetzt sind durch Übersetzungen, Apostillen, Gerichtsgebühren etc. gute 1.000 Euro angefallen. Ein schottischer Solicitor wird weitere zweitausend Euro kosten. Weitere Fallbeispiele hier  und hier.

Was also tun?

Wer Auslandsvermögen besitzt, sollte sein Testament gleich so formulieren, dass auch für die Nachlassrichter im Ausland klar ist, was der Erblasser damit anordnen will. Insbesondere sollte der Personal Representative (Executor) benannt werden. Manche – vor allem englische – Anwälte empfehlen, pro Land jeweils ein gesondertes Testament zu erstellen. Davon rate ich dringend ab, weil dadurch alles nur noch komplexer wird. Die Testamente müssen dann ja aufeinander Bezug nehmen, was dazu führt dass die Nachlassrichter in aller Regel auch alle anderen Testamente sehen wollen. Also lieber ein einheitliches Dokument, ggf. zweisprachig in deutsch und englisch.

Hier als Beispiel ein Mustertext für ein gemeinsames Ehegattentestament eines deutsch-britischen Ehepaars, das in Deutschland lebt, aber Vermögen in verschiedenen Ländern besitzt. Wichtiger Hinweis: Jegliche Haftung ist selbstverständlich ausgeschlossen und Mustertexte sollten niemals ungeprüft übernommen werden, weil jeder Einzelfall Besonderheiten hat. Das gesamte Testament muss von einem Ehegatten eigenhändig geschrieben (holographic will), datiert und dann von beiden Ehegatten unterzeichnet werden. Die Alternative ist ein notarielles Testaments, das Vorteile bei der Grundstücksübertragung in Deutschland haben kann (man benötigt dann in Deutschland keinen Erbschein). Da aber andererseits ausländische Nachlassgerichte (insbe-sondere in Common Law Ländern) trotzdem nach einem Erbschein eines deutschen Gerichts fragen, relativieren sich die Vorteile eines notariellen Testaments wieder.

Nun zum Formulierungsbeispiel (Anmerkung für die Walt Disney Puristen: Dem Autor ist bewusst, dass die unten genannten Verwandtschaftsverhältnisse nicht stimmen):

Gemeinschaftliches Ehegattentestament
Unser Letzter Wille!

Wir, Donald Duck (geboren am …) und Daisy Duck (geboren am …), sind seit … im … Güterstand verheiratet und haben die drei gemeinsamen Kinder Tick (geboren …), Trick (…) und Track (…). Weitere Kinder hat keiner von uns beiden.

Wir sind an der Verfügung über unseren Nachlass nicht gehindert. Rein vorsorglich widerrufen wir hiermit alle zeitlich vorangegangenen letztwilligen Verfügungen, so dass für den Fall unseres jeweiligen Todes nur das hier Folgende gilt:

(1)
Domicile und Wahl des deutschen Erbrechts

Ich, Donald Duck, bin britischer Staatsbürger, habe aber seit … meinen Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt in Deutschland, wo ich zusammen mit meiner Frau und den drei Kindern lebe und aller Voraussicht nach auch künftig leben werde. Meine drei Kinder besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft und sind in Deutschland aufgewachsen. Ich sehe mich deshalb seit langem als domiciled in Deutschland.

Ich, Daisy Duck, bin sowohl deutsche als auch britische Staatsbürgerin und habe ebenfalls meinen Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt seit … in Deutschland, wo ich zusammen mit meinem Mann und den drei Kindern lebe und aller Voraussicht nach auch künftig leben werde. Ich sehe mich deshalb seit langem als domiciled in Deutschland.

Abweichend von den Regelungen der Europäischen Erbrechtsverordnung wählt jeder von uns beiden hiermit ausdrücklich die Anwendbarkeit des deutschen Erbrechts, unabhängig davon, wo jeder von uns zum Zeitpunkt seines Todes den gewöhnlichen Aufenthalt haben mag.

Uns ist bewusst, dass auf unser jeweiliges Vermögen im Ausland (etwa Assets in USA, UK, Irland oder anderswo) das dortige Recht zur Anwendung kommen kann, es also möglicherweise zur Nachlassspaltung kommt. Unsere Anordnungen in diesem Testament sollen – soweit dies rechtlich möglich ist – ausdrücklich auch für die im Ausland befindlichen Assets gelten so dass das selbe Ergebnis erreicht wird, wie für unsere deutschen Assets in diesem Testament angeordnet.

(2)
Erbeinsetzung für den ersten Todesfall

Für den Todesfall des Ersten von uns beiden setzen wir uns hiermit gegenseitig zu unseren alleinigen unbeschränkten Erben ein. Ersatzerben sind jeweils unsere drei Kinder (bzw. deren Abkömmlinge) zu unter sich gleichen Teilen nach Stämmen.

(3)
Vermächtnisse beim ersten Todesfall

Falls ich, Donald Duck, zuerst versterbe, ordne ich hiermit folgende Vermächtnisse an: Meine Frau Daisy überträgt jedem unserer Kinder aus meinem Nachlass ein Vermächtnis in Höhe von jeweils …….. Euro, wobei meine Frau nach eigenem Ermessen entscheiden kann, wodurch, also mit welchen Vermögensbestandteilen aus meinem Nachlass Daisy das jeweilige Vermächtnis erfüllt. Das jeweilige Vermächtnis wird frühestens zur Übertragung fällig am 25. Geburtstag des jeweiligen Kindes. Bis zum jeweiligen 25. Geburtstag soll meine Frau die Vermächtnisse treuhänderisch verwalten und wird hierfür von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit soweit maximal zulässig. Meine Frau ist aber berechtigt, alle oder einzelne Vermächtnisse auch bereits vor dem 25. Geburtstag zu erfüllen, dies entweder ganz oder teilweise.

(4)
Erbeinsetzung für den zweiten Todesfall

Erben des Letztversterbenden von uns sind unsere gemeinsamen Kinder (bzw. deren Abkömmlinge) zu unter sich gleichen Teilen nach Stämmen. Falls wir gleichzeitig oder aufgrund derselben Gefahr versterben sollten, gelten die vorstehenden Bestimmungen entsprechend.

(5)
Wechselbezüglichkeit, Abänderungsrecht, Anfechtung

Alle vorstehenden Anordnungen sind wechselbezüglich. Nach dem Tod des Ersten von uns ist der überlebende Ehegatte zu Änderungen und Ergänzungen bezüglich der Bestimmungen für den zweiten Todesfall nur wie folgt berechtigt:

a) Der überlebende Ehegatte kann innerhalb des Kreises der gemeinschaftlichen Abkömmlinge die Erbfolge ändern und einzelne gemeinschaftliche Abkömmlinge von der Erbfolge zu Gunsten anderer gemeinschaftlicher Abkömmlinge ausschließen. Er kann weiter den bzw. die Schlusserben mit beliebigen Vermächtnissen oder Auflagen zu Gunsten gemeinschaftlicher Abkömmlinge beschweren.

b) Der überlebende Ehegatte ist aber nicht berechtigt, durch Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auflagen andere Personen als gemeinschaftliche Abkömmlinge zu begünstigen. Ausgenommen sind kleinere Vermächtnisse bis zu insgesamt 10.000 Euro.

Alle letztwilligen Verfügungen werden unabhängig davon getroffen, ob und welche Pflichtteilsberechtigten beim Ableben eines jeden von uns vorhanden sind. Eine Anfechtung dieses Testaments nach § 2079 BGB scheidet deshalb aus. Ferner verzichten wir auch auf ein eventuelles künftiges Anfechtungsrecht wegen Irrtums gem. § 2078 BGB.

(6)
Pflichtteile

Falls ein Abkömmling (Kinder oder Enkel) beim ersten Todesfall den Pflichtteil geltend macht, so ist der länger lebende von uns berechtigt, jeden den Pflichtteil geltend machenden Abkömmling von der Erbfolge beim zweiten Todesfall auszuschließen, so dass dieser Abkömmling beim zweiten Todesfall dann ebenfalls nur den Pflichtteil erhält.

(7)
Executor für ausländisches Nachlassvermögen

Soweit für die Nachlassabwicklung etwaiger ausländischer Assets (in USA, UK oder in anderen Rechtsordnungen) nach dem dortigen Recht zwingend ein „Personal Representative“ erforderlich ist, bestimmen wir hiermit:

a) Falls ich, Donald Duck, zuerst versterbe, ist mein Executor meine Frau Daisy, ersatzweise (falls Daisy das Amt nicht annehmen kann oder will) Herrn / Frau ….., geboren …., Anschrift ….

b) Falls ich, Daisy, zuerst versterbe, ist mein Executor mein Mann Donald, …

c) Für den Todesfall des zweiten von uns ist Executor Herr / Frau ….., geboren …., Anschrift …., ersatzweise …

Zur Klarstellung: Die Bestimmung der Executors dient nur der Abwicklung ausländischen Vermögens, wenn und soweit dies im jeweiligen Land erforderlich ist. Damit ist keine Testamentsvollstreckung im Sinn des deutschen Rechts angeordnet.

(8)

Dies ist unser vollständiger Letzter Wille.

[Ort], den [Datum] [Eigenhändige vollständige Unterschrift beider Ehegatten]

 

Allgemeine Informationen zum gemeinsamen Ehegattentestament (Berliner Testament) sowie zu den Erbschaftssteuern und Steuerfreibeträgen in der Broschüre „Fakten zum Erbrecht“.

Die Eheleute können das Testament entweder selbst verwahren oder beim Amtsgericht des Wohnorts hinterlegen, wodurch sichergestellt ist, dass es im Erbfall auch ganz sicher gefunden wird. Das Amtsgericht berechnet hierfür eine einmalige Hinterlegungsgebühr, die vom Gesamtvermögen abhängt (Details zu den Kosten der Hinterlegung eines Testaments hier).

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Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist auf grenzüberschreitende Nachlassfälle spezialisiert und hat mittlerweile gut 100 deutsch-britische sowie deutsch-US-amerikanische Erbfälle begleitet oder vollständig als Administrator abgewickelt, inklusive Auflösung von Geldanlagen und Verkauf von Immobilien. Mitglied unserer Kanzlei ist die als UK Solicitor qualifizierte Kollegin Elissa Jelowicki, die bei der RAK München als Niedergelassene Europäische Rechtsanwältin registriert ist. In einem eintägigen Crash-Kurs „Praxis der Nachlassabwicklung und Erbschafts-steuer in UK“ teilen wir die so erworbene Erfahrung regelmäßig auch mit erbrechtlich tätigen Kollegen.

Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Tel. 0941 – 785 3053.