UPDATE 9.4.2014: Unten stehender Beitrag ist überholt durch Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 3.4.2014.

Wenn ein Unternehmensjurist seine Anwaltszulassung behalten will, muss er der Anwaltskammer eine Erklärung des Arbeitgebers vorlegen, dass der Jurist seinen Arbeitsplatz jederzeit verlassen kann, um seiner anwaltlichen Tätigkeit nachzugehen. Man kann sich vorstellen, dass es den Chef nicht begeistert, wenn er eine derart weitreichende Freistellungserklärung unterzeichnen soll. Oft formulieren Personalabteilungen daher einschränkende Klauseln wie zum Beispiel:

„Dem Arbeitnehmer ist es gestattet, seinen Arbeitsplatz zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine zu verlassen, wenn dies seine Tätigkeit als Rechtsanwalt im Einzelfall zwingend erforderlich macht.“

Der Anwaltskammer Mainz genügte das nicht. Sie sah die Unabhängigkeit des Anwalts als nicht gewährleistet an. Ein Anwalt müsse „stets in eigener Verantwortung entscheiden können, welche konkreten Tätigkeiten er zu welchem Zeitpunkt ausüben möchte“. Nachdem der Arbeitgeber nicht bereit war, eine großzügiger gefasste Freistellungserklärung abzugeben widerrief die Kammer die Anwaltszulassung des Kollegen. Raue Sitten, möchte man meinen, aber die Berufsordnung gibt das her: Gemäß § 56 Abs. 3 Nr. 1 BRAO hat ein Rechtsanwalt dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer unverzüglich anzuzeigen, dass er ein Beschäftigungsverhältnis eingeht oder dass eine wesentliche Änderung eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses eintritt. Die Kammer muss dann von Amts wegen prüfen, ob diese Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist (§ 14 Abs. 2 BRAO).

Der Syndikusanwalt wehrte sich gegen den Widerruf seiner Zulassung, doch der Anwaltsgerichtshof Rheinland-Pfalz gab der Kammer Recht (AnwGH Rheinland-Pfalz, 30.5.2008, 1 AGH 10/07). Wer als Unternehmensjurist seine Anwaltszulassung behalten will (was vor allem wegen der Mitgliedschaft in der Anwaltsversorgung oft gewünscht wird), muss daher unbedingt vor Unterzeichnung des Anstellungsvertrags mit dem Arbeitgeber klären, ob dieser bereit ist, eine ausreichend weit gefasste Freistellungserklärung abzugeben. Weitere Informationen zum Thema, ein Merkblatt des Anwaltsvereins zu Rechten und Pflichten eines Syndikusanwalts sowie Musterformulierungen für Freistellungserklärungen hier und auf Websites zahlreicher Rechtsanwaltskammern, etwa Hamm und Köln.

Update 7/2011: ACHTUNG, das Merkblatt Syndikusanwälte gibt nach Auskunft des DAV nicht mehr in allen Punkten den aktuellen Stand wieder, insbesondere im Hinblick auf den dort enthaltenen Vorschlag zur Fomulierung der Freistellungserklärung durch den Arbeitgeber. Zur Dokumentation der bisherigen Situation haben wir die Informationen dennoch online gelassen. Das Thema selbst wird immer wichtiger, da die Zulassungsvoraussetzungen tendenziell zunehmend restiktiver gehandhabt werden.

Die Problematik „Befreiung des Syndikusanwalts von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht“ wird nun auch ausführlich in der NJW vom 25.8.2011 behandelt (Heft 35/2011, S. 2556 ff).

Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl ist sowohl Partner einer Wirtschaftskanzlei als auch Justiziar eines forschenden Biotech-Pharmaunternehmens