… aber wir sind jetzt die frechen Anwälte, weil wir einen Honorarvorschuss verlangen.
Ein potentieller Neumandant frägt per eMail an: Er habe 9.000 Euro an Coinbase nach England überwiesen, dann habe es bei denen aber wohl technische Probleme gegeben. Die hätten zugesichert, den Betrag zurück zu überweisen, seit drei Monaten sei aber nix passiert und er hätte nun doch ganz gern sein Geld zurück.
Mir schwant nichts Gutes. Aber antworten müssen wir dem Anfrager ja. Also teilen wir unseren Stundensatz mit und bitten um Honorarvorschuss. Mandant ruft an: Das Honorar sei ja prinzipiell schon in Ordnung, aber das müsse ja wohl Coinbase übernehmen und überhaupt sei das alles schrecklich ungerecht, dass er jetzt dafür zahlen solle, bloss weil er sein Geld zurück haben will. Ich denke an meinen Zivilrechtsprofessor Dr. Reinhard Zimmermann und dessen Lieblingsspruch: „Wo du dein Vertrauen gelassen hast, dort sollst du es suchen.“ Der Mandant versteht nicht, was ich damit meine. Den zweiten Spruch, der mir auf der Zunge liegt („Geld ist nie weg, es gehört nur jemand anderem“), verkneife ich mir.
Ich gehe auf die Website www.coinbase.com und schildere dem Mandanten am Telefon, dass Coinbase auf der Website keinerlei Impressum hat und schon auf den ersten Blick gegen gefühlte 27 Vorschriften des Fernabsatz- und Handelsrecht verstößt. Ich kann der Website weder die Rechtsform, noch den Sitz, noch eine Postadresse, noch irgendeinen natürlichen Menschen (Geschäftsführer oder so), noch eine Telefonnummer entnehmen, ja noch nicht einmal eine eMail-Adresse. Es gibt nur (wenn man oft genug klickt) ein Online-Eingabeformular. Ich kann also noch nicht einmal ein Mahnschreiben mailen, geschweige denn faxen oder per Post zuschicken. Der Mandant hat natürlich auch keinen Vertrag mit brauchbaren Kontaktdaten. Gar nichts!
Da hilft mir auch die steile Coinbase-These nicht weiter, dass 10,6 Millionen User Coinbase vertrauen würden (siehe rechte Spalte des Screen Shot).
Basierend auf dieser Erstanalyse (20 Minuten unbezahlter Anwaltszeit sind verstrichen) artikuliere ich gegenüber dem potentiellen Mandanten milde Zweifel daran, dass Coinbase unser Anwaltshonorar freiwilig zahlen wird. Das regt nun tatsächlich einen gewissen Verständnisprozess beim Mandanten an. Er glaubt nun auch nicht, dass die unser Anwaltshonorar zahlen werden. Er will aber auch nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Deshalb sind wir so verblieben, dass er es nun erst mal weiterhin selbst versucht.
Fazit: Immer wieder erstaunlich, auf welcher Grundlage Menschen bereit sind, erkleckliche Beträge irgendwohin ins Ausland zu transferieren, nur weil eine gut gemachte Website im Internet steht. Ein vergleichbarer Fall war unlängst „Medi 24“ (hier). Und natürlich der Dauerbrenner Erbschafts-Betrugsmasche hier und im Beitrag „Schutz vor Betrugsmasche Erbschaft aus England“ hier und im Beitrag „Nein, man erbt nicht einige Millionen von jemanden, den man kaum kannte!“ .
Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer englischspachigen Prozessabteilung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und internationale Erbfälle. Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk juristischer Experten gerne zur Verfügung. In den meisten großen US-Bundesstaaten verfügen wir über gute persönliche Kontakte zu Attorneys-at-Law in mittelgroßen Kanzleien. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070, seit 2001 als Rechtsanwalt auf deutsch-britische Erbfälle und Wirtschaftsstreitigkeiten spezialisiert.