Der könnte man ja zustellen. Aber wie stellt man einer GmbH zu, die nicht einmal einen Briefkasten hat?
Anwälte kennen das: Man will für seinen Mandanten ein Mahnschreiben, eine Kündigung oder eine Klage an eine Firma zustellen. Die Post kommt aber mit dem Vermerk „unzustellbar“ zurück, obwohl man den Brief korrekt adressiert hat. Vermutlich verweigert der Empfänger also bewusst die Entgegennahme. Manche Firmen haben unter der angegebenen Adresse auch schlicht gar kein Büro und kein Personal, manchmal nicht mal einen Briefkasten. Entweder weil die Adresse die eines Dienstleisters ist, z.B. ein Virtual Office Provider wie Regus, der aber zwischenzeitlich nicht mehr für den Empfänger tätig ist. Oder es war von vornherein eine Scheinfirma.
Handelt es sich bei dem Empfänger um ein im Handelsregister eingetragenes Unternehmen, also zum Beispiel eine GmbH, bietet § 35 Abs. 2 GmbH-Gesetz seit der Modernisierung im Jahr 2008 (MoMiG) ein Mittel, um solchen Missbräuchen einen Riegel vorzuschieben. Unter der alten Rechtslage stand man vor einem misslichen Problem, wenn die Zustellung unter der bekannten Geschäftsanschrift scheiterte, weil nicht einmal ein Briefkasten vorhanden war. In einem solchen Fall musste man zunächst versuchen, das Schriftstück dem Geschäftsführer selbst (oder Prokuristen) unter dessen Privatanschrift zuzustellen. Dubiose Gesellschaften und ihre gerissenen Geschäftsführer bedienten sich dann eines einfachen Tricks. Sie beriefen Personen zu Geschäftsführern, die im Ausland wohnten. Dann musste man zuerst versuchen, dessen Anschrift ausfindig zu machen und sodann das Schreiben im Ausland nach allen Regeln der Kunst zustellen zu lassen. Wenn der ehemalige Vertragspartner dann nicht schon die Lust an der Rechtsverfolgung verloren hatte, stolperte er oft genug darüber, dass die Zustellung im Ausland nicht funktionierte, weil die Anschrift des Geschäftsführers immer wieder wechselte oder der Zustellungsnachweis aus irgendwelchen formalen Gründen nicht anerkannt wurde. Erst wenn er nachweisen konnte, dass er alles zur Zustellung erforderliche (auch im Ausland) unternommen hatte, konnte die öffentliche Zustellung des Schriftstücks bewilligt werden. Sollte aber der Eindruck entstanden sein, dass der Geschäftsführer untergetaucht und die Gesellschaft demnach führerlos geworden war, so war auch die öffentliche Zustellung nicht statthaft. Stattdessen musste ein Prozesspfleger oder Notgeschäftsführer bestellt werden.
Die neue Rechtslage hilft zwar nicht darüber hinweg, dass am Ort der angeblichen Geschäftsanschrift nicht einmal ein Briefkasten vorhanden ist. Jedoch bleibt die leidige Suche nach dem Geschäftsführer erspart. Denn sobald im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt werden kann, begründet § 35 Abs. 2 S. 3 GmbHG n.F. die unwiderlegliche Vermutung, dass die Gesellschaft bzw. die Geschäftsführer die Möglichkeit zur Kenntnisnahme im Sinne des § 130 Abs. 1 BGB haben: „An die Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1 können unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke für die Gesellschaft zugestellt werden.“
Ob der Geschäftsführer als Empfangsbevollmächtigter tatsächlich Kenntnis vom Inhalt des Schreibens nehmen konnte, ist irrelevant. Es ist aber weiterhin erforderlich, dass am Ort der Geschäftsanschrift Geschäftsräume oder andere Vorrichtungen, wie beispielsweise Briefkästen vorhanden sind. Denn dass die Erklärung am Ort der Geschäftsanschrift in den Machtbereich der Gesellschaft gelangen konnte, ist gerade nicht Gegenstand der Vermutung. Wenn man also einer solch unseriösen GmbH auf den Leim gegangen ist, die nicht einmal einen Briefkasten am Ort der eingetragenen Geschäftsanschrift vorhält, ist die öffentliche Zustellung zwar nicht sofort zulässig, aber man kann sie mit wesentlich geringerem Aufwand erreichen.
Gem. §§ 15a HGB, 185 Nr. 2 ZPO ist sie jetzt bereits dann zulässig, wenn auch bei einer anderen eingetragenen empfangsberechtigten Person (Gesellschaften können nach dem MoMiG zusätzliche empfangsberechtigte Personen benennen, die in das Handelsregister eingetragen werden) oder einer anderen ohne Ermittlung bekannten inländischen Anschrift nicht zugestellt werden kann. Ist dagegen nur eine Anschrift des Geschäftsführers im Ausland bekannt, ist die öffentliche Zustellung im Inland zulässig. Details zur Frage der praktischen Zustellung von Willenserklärungen im Artikel: Kehrtwende des BGH in Sachen Einwurfeinschreiben?