Zu Beweiszwecken das Telefon mal schnell auf Lautsprecher schalten. Sinnvoll?

Wir Anwälte wissen, dass in der Praxis Forderungen nur selten aus präzise formulierten schriftlichen Verträgen abgeleitet werden können. Im echten Leben werden Vereinbarungen vielmehr oft mündlich oder konkludent geschlossen, Nebenabreden getroffen, Zugeständnisse gemacht etc. – oft auch am Telefon. Details bleiben oft ungeregelt. Erstaunlich oft berichten selbst Firmen-Mandanten, dass z.B. zwar eine schriftliche Bestellung und Auftragsbestätigung über Menge X zum Preis Y existiere, man sich aber dann später telefonisch auf eine Menge X2 zum Preis Y2 geeinigt habe. Der Vertragspartner wolle sich daran nun aber nicht mehr erinnern. Oder der dortige Mitarbeiter hat das Unternehmen zwischenzeitlich verlassen und sonst weiß von der Absprache niemand. Wenn man als Anwalt seinem Mandanten dann lange Vorträge darüber hält, dass man aus Beweisgründen halt alles schriftlich dokumentieren sollte und es just hierfür auch das kaufmännische Bestätigungsschreiben gibt, macht man sich wenig beliebt. Das echte Leben ist nun einmal nicht der klare Sachverhalt einer Examensklausur.

Manchmal berichtet einem der Mandant in einer solchen Konstellation aber auch ganz stolz, die Beweislage sei gar kein Problem, denn man habe bei dem kritischen Telefongespräch extra auf Lautsprecher gestellt und einen Arbeitskollegen (wahlweise die Ehefrau, den Ehemann etc.)  mithören lassen. Gesagt habe man das dem Gesprächspartner zwar nicht, aber den Mithörer könne man doch sicher als Zeugen benennen. Wirklich?

Nein, in aller Regel kann man das nicht, zumindest nicht mit Erfolg, denn das Mithören eines Telefonats über die Freisprechanlage führt zu einem Beweisverbot im Zivilprozess, wenn der Gesprächspartner nicht darauf hingewiesen wurde, dass jemand mithört. Das verdeckte Mithören von Telefonaten ist nur ausnahmsweise erlaubt, etwa wenn man von einem konkludenten Einverständnis sicher ausgehen durfte oder in notwehrähnlichen Situation, wenn man also vom Gesprächspartner zum Beispiel beleidigt oder bedroht wird.

Ansonsten gilt: Das Mithören von Telefongesprächen durch Dritte ohne Bekanntgabe dieses Umstandes an den Gesprächspartner verletzt dessen Persönlichkeitsrecht, ist somit verboten und führt zu einem Beweisverbot (BverfG, Az: 1 BvR 1611/96, Beschluss vom 09.10.2002; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 30.04.2009 12 U 196/08), sofern nicht höherrangige Interessen bestehen (z.B. Aufklärung schwerer Straftaten oder eine notwehrähnliche Situation).

Allein das Beweisinteresse der Prozesspartei genügt aber ausdrücklich nicht zur Begründung eines höherrangigen Interesses (BVerfG NJW 2002, 3619; BGH NJW 2003, 1727). Zwar hatte der BGH erstaunlicher Weise schon im Jahr 1963 für den geschäftlichen Bereich (NJW 64, 165) und 1982 auch für den privaten Bereich (NJW 82, 1397, 1398) das Mithören als derart üblich angesehen, dass eine konkludente Einwilligung nur bei Gesprächen erkennbar vertraulichen Charakters oder ausdrücklichem Wunsch des Ausschlusses Dritter verneint werden kann (obwohl damals Freisprecheinrichtungen noch nicht so allgegenwärtig waren wie heute). Hiervon ist der BGH ohne Begründung jedoch wieder abgerückt (NJW 2003, 1727; MDR 2010, 689). Das BVerfG (NJW 2002, 3619, 3623; 2003, 2375) verlangt zumindest das Schweigen auf einen entsprechenden Hinweis.

Ordnet ein Zivilgericht trotzdem die Vernehmung des heimlichen Mithörers an, kann und sollte die andere Prozesspartei dies gemäß § 295 ZPO gerügt. Es kann für die zivilprozessuale Betrachtung dahin stehen, ob die Mithörende Ehefrau oder der heimlich lauschende Arbeitskollege des Klägers damit auch eine Straftat nach § 201 StGB begangen hat (dies ist in der Kommentarliteratur strittig). Unstrittig ist jedenfalls die Folge Beweisverwertungsverbot.

Es stellt sich in solchen Konstellationen dann die spannende Folgefrage, wer die Beweislast dafür trägt, ob ein solcher Hinweis an den anderen Gesprächspartner erfolgt ist. Nach den allgemeinen Regeln ist das üblicherweise diejenige Partei, für die der Umstand die günstige Rechtsfolge auslöst, also die Gesprächspartei, die den Mithörer als Zeugen benennt. Der „Mithörer“ muss also zunächst bezeugen, dass er gerade nicht heimlich mitgehört hat, sondern dass der andere Gesprächsteilnehmer darauf hingewiesen wurde und zumindest nicht widersprochen hat.

In anderen Ländern führt das heimliche Mithören von Telefonaten über Lautsprecheinrichtungen übrigens nicht zwingend ebenfalls zu zivilrechtlichen Beweisverwertungsverboten. In den USA sowie in England ist es zum Teil sogar erlaubt und als Beweismittel zulässig, Gespräche und Telefonate aufzuzeichnen an denen man selbst beteiligt ist. Das bloße Abhören von Gesprächen anderer ist verboten („third party wire tapping“), aber das mitschneiden von Gesprächen oder Telefonaten (über Smart Phone, Diktiergeräte o.ä.) kann in USA und UK zulässig sein, auch außerhalb von Ausnahmesituationen wie Notwehr gegen Beleidigung oder Bedrohung. Die Details sind allerdings kompliziert.

Zum Vergleich hier einige Beiträge mit Praxisinfos zu Zivilprozessregeln in USA und England:

See you in Court: Nicht von US- oder UK-Prozessanwälten einschüchtern lassen

Mal schnell Klage einreichen? Nicht in England!

Wie sieht eine Zivilklage in England aus?

UK Zivilprozessordnung und Expertengutachten in England

Anwaltliche Versicherung in UK” (solicitor’s undertaking)

Mandant lügt im Zivilprozess, Anwalt haftet: Harte ZPO-Regeln vor englischen Gerichten

Wie im Hollywood-Spielfilm: “You have been served!” (Zustellung in UK und USA)

Sie wollen einen EU-Titel in Großbritannien vollstrecken? Wie gut sind Ihre Nerven?

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