Auch im Wirtschaftsleben gibt es Modewellen. Zwischen 2003 und 2007 hielten es etliche „Unternehmer“ für chic und clever, statt einer deutschen GmbH eine ausländische Kapitalgesellschaft zu gründen, konkret meist eine englische Private Limited Company (auch Limited, Ltd. oder PLC genannt), manchmal auch eine Gesellschaft nach belgischem oder holländischem Recht. Mehr oder weniger seriöse Anbieter versenden noch heute Werbeprospekte, in denen sie die „unschlagbaren Vorteile“ einer Limited im Vergleich zur angeblich teureren und schwerfälligeren GmbH preisen. Die Gründungskosten lägen „unter 300 Euro“, man könne sich auf ein Haftungskapital von nur einem englischen Pfund (1,50 Euro) beschränken (statt der für die GmbH nötigen 25.000 Euro) und man hafte auf diesem Weg nicht mehr mit seinem Privatvermögen. In Wahrheit ist die Limited für einen deutschen Existenzgründer keine sinnvolle Alternative; diese „englische GmbH“ hat viel mehr Nachteile als Vorteile.

Auslöser für den Limited-Boom waren Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), insbesondere die „Inspire Art Ltd.“-Entscheidung vom 30.09.2003, in denen das Gericht klarstellte, dass eine ausländische Kapitalgesellschaft in Deutschland auch dann mit allen Rechten und Pflichten anzuerkennen ist, wenn ihr Hauptverwaltungssitz nicht im Gründungsland selbst (hier konkret England), sondern in Deutschland liegt. Das Europarecht gestattet also ausdrücklich, dass eine Gesellschaftsform nach englischem Recht sowohl ihren Hauptsitz in Deutschland hat als auch ihre Geschäftstätigkeit hier entwickelt; es genügt also – etwas überspitzt – ein Briefkasten in England, alles andere kann in Deutschland stattfinden. Kommerzielle Anbieter haben sich rasch auf das Geschäft mit ausländischen Kapitalgesellschaften gestürzt. Das neue Geschäftsfeld kam ihnen wie gerufen, weil zur gleichen Zeit durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs das lukrative Geschäft mit dem Verkauf von Vorrats-GmbHs (auch Mantel-GmbHs genannt) eingebrochen ist. Viele derselben Dienstleister, die bis dahin noch überwiegend Vorrats-GmbHs verkauft haben, bewerben seitdem die angeblich so vorteilhafte Limited und bieten einen Rundum-Service von Gründung über die laufende Verwaltung bis hin zur Liquidation an. Nach aktuellen Schätzungen war 2006 und 2007 etwa jede fünfte in Deutschland neu gegründete Kapitalgesellschaft eine Limited. Sieht man genauer hin, so finden sich in Wirklichkeit aber deutlich mehr Nachteile und Risiken als Vorteile.

Hauptmotiv für die Gründung einer Kapitalgesellschaft (im Unterschied zur Personengesellschaft) liegt darin, dass der Unternehmer nicht mit seinem Privatvermögen für geschäftliche Risiken haften will. Ein absolut legitimes Interesse, da unternehmerische Tätigkeit immer mit einem schwer abschätzbaren Risiko verbunden ist. Um diese Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen zu erreichen, bietet die deutsche Rechtsordnung zwei Alternativen: die Gesellschaft mit beschränkter Haftung sowie die Aktiengesellschaft. Um diese ins Leben zu rufen, muss der Existenzgründer aber ein Mindestkapital von 25.000 Euro (GmbH) bzw. 50.000 Euro (Aktiengesellschaft) zur Verfügung haben. Zwar muss der Existenzgründer nur die Hälfte des Gesellschaftskapitals (also 12.500 Euro bzw. 25.000 Euro) tatsächlich in bar einlegen, auch dies fällt aber vielen Jungunternehmern immer noch schwer. Es erscheint deshalb verlockend, statt einer deutschen GmbH auf eine englische Limited auszuweichen. Das englische Recht sieht für die PLC nämlich kein festes Mindestkapital vor, so dass diese – zumindest scheinbar – auch bereits mit einem einzigen englischen Pfund gegründet werden kann. Als weitere Vorteile preisen die Limited-Anbieter in ihren Prospekten an, dass eine Limited „unbürokratischer zu verwalten“ sei und die Gesellschafter anonym bleiben können (die Gesellschafter einer GmbH müssen dem Registergericht gemeldet werden). Manchen Unternehmern – insbesondere solchen, die in Deutschland bereits eine Insolvenz hinter sich haben – erscheint dies natürlich zunächst verlockend, zumal ein Director einer Limited auch keine Versicherung gemäß § 8 Abs. 3 GmbH-Gesetz (über frühere Insolvenzstraftaten) abgeben muss.

Bei genauerer Betrachtung ist die englische Limited in aller Regel jedoch weder „billiger“ als eine deutsche GmbH, noch „unbürokratischer“. Sie bietet für den Unternehmensgründer sogar oft nicht einmal ausreichenden Schutz vor persönlicher Haftung. Wo liegen die Probleme?

(1)    Gründungs- und Verwaltungsaufwand in England:
Die meisten Existenzgründer bedenken zunächst nur die Kosten für den Gründungsaufwand einer Limited und vergessen dabei völlig, dass ihre englische Gesellschaft weiterhin in England verwaltet werden muss. Zunächst benötigt die englische Gesellschaft eine Firmenanschrift und einen sog. Company’s Secretary (eine Art Geschäftsstellenleiter) mit zustellungsfähiger Anschrift in England. Hat die zu gründende Limited also kein eigenes Büro in England – da man ja seine Haupttätigkeit in Deutschland entfalten will – so muss man zumindest „einen Briefkasten“ mieten und benötigt eine Kontaktperson, die die Korrespondenz dort abwickelt. Diesen Service bieten die kommerziellen Limited-Anbieter gegen jährliches Honorar an, dessen Höhe sich meist noch im Rahmen des Erträglichen befindet. Schwerer wiegt aber folgendes Problem: Da die Limited in diesen Konstellationen sowohl die Geschäftsleitung als auch die Betriebsstätte unterhält, zahlt die Limited sowohl Körperschafts- als auch Gewerbesteuer in Deutschland. Es gilt also nicht etwa englisches Steuerrecht, sondern die Limited ist uneingeschränkt in Deutschland steuerpflichtig. Unabhängig davon ist die Limited nach englischem Recht aber verpflichtet, Jahresabschlüsse nach englischem Bilanzrecht zu erstellen und einzureichen. Da die englischen Bilanzierungsregeln sich von den deutschen unterscheiden, muss die Limited im Ergebnis zwei Jahresabschlüsse erstellen lassen und benötigt hierfür in aller Regel sogar zwei verschiedene Steuerkanzleien, nämlich eine in Deutschland und eine in England. Allein diese jährlich anfallenden doppelten Jahresabschluss- Steuererklärungskosten fressen bereits nach wenigen Jahren eine mögliche Ersparnis bei der Gründung einer Limited auf.

(2)    Handelsregistereintrag:
Durch den Verwaltungs- und/oder Geschäftssitz in Deutschland schafft die Limited eine selbstständige Betriebsstätte. Diese „Zweigniederlassung“ (in Wahrheit handelt es sich um die Hauptniederlassung) muss zur Eintragung im deutschen Handelsregister angemeldet werden. Das Handelsregister verlangt hierfür die Einreichung zahlreicher Unterlagen (Gründungsurkunden, Satzung, Nachweis der Vertretungsbefugnisse u.a.m.) – und zwar alles in deutscher Sprache. Die englischen Original-Dokumente der Limited müssen deshalb in öffentlich beglaubigter Übersetzung und mit Apostille versehener öffentlich beglaubigter Abschrift eingereicht werden. Die Werbeaussage „Tschüss Bürokratie“ in einem Prospekt eines Limited-Anbieters ist deshalb nur schwer nachvollziehbar.

(3)    Rechtsunsicherheit über englische Organisationsverfassung:
Die Struktur und interne Verwaltung einer Limited, die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten der Organe richten sich nach englischem Recht und sind sowohl für die Akteure der Gesellschaft selbst, als auch für deren Geschäftspartner meist wenig bekannt. Hierdurch entstehen Unsicherheiten und Fehlerquellen, die von unwirksamen Gesellschafterbeschlüssen über fehlerhafte Vertretung bei Vertragsabschlüssen bis hin zu persönlicher Haftung der Akteure führen können.

(4)    Fehlende Kreditwürdigkeit:
Aus dieser Rechtsunsicherheit folgt noch ein weiterer – praktisch sehr relevanter – Nachteil: Eine Limited wird größte Schwierigkeiten haben, Kreditgeber oder auch nur Lieferanten zu finden. Bereits für eine GmbH ist es nicht leicht, einen Bankkredit zu bekommen. Praktisch verlangen die Kreditinstitute hier immer dingliche Sicherungen und/oder persönliche Bürgschaften. Da sich in Geschäftskreisen herumgesprochen hat, dass eine Limited kein Mindestkapital benötigt, begegnen Banken und Geschäftspartner dieser Gesellschaftsform mit großer Skepsis. Viele Banken weigern sich sogar, für eine Limited überhaupt ein Bankkonto zu eröffnen. Ein Unternehmer, der mit seiner Kapitalgesellschaft eine seriöse Geschäftsidee verfolgt, tut sich also auch unter diesem Aspekt keinen Gefallen: Er wird seine Rechtsformwahl ständig gegenüber misstrauischen Kunden, Lieferanten und Kreditgebern erläutern und verteidigen müssen. Wächst das Unternehmen und stehen später Verhandlungen zur Aufnahme neuer Mitgesellschafter oder der Beteiligung von Venture-Capital-Gebern an, so setzen sich diese Probleme fort: Eine fremde Rechtsform wird immer zu einem Bewertungsabschlag führen, sowohl bei der Ausgabe neuer Geschäftsanteile wie auch beim Verkauf des Unternehmens.

(5)    Haftungsdurchgriff (Gefahr der Haftung mit Privatvermögen):
Hauptmotiv für die Gründung einer Kapitalgesellschaft ist der Ausschluss der persönlichen Haftung, andernfalls kann man es gleich bei Personengesellschaft belassen. Die Existenz einer GmbH oder Limited ist aber kein Freibrief für verantwortungsloses, unkaufmännisches oder gar betrügerisches Verhalten eines Geschäftsführers oder der dahinter stehenden Gesellschafter. Ist eine Gesellschaft unterkapitalisiert (was bei einem Gründungs-„Kapital“ von einem Pfund natürlich sehr schnell der Fall ist), so greifen selbstverständlich auch für die Akteure einer Limited die Regeln des „existenzvernichtenden Eingriffs“, der Insolvenzverschleppung, der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung, des Betrugs und/oder die entsprechenden Rechtsfiguren des englischen Common Law („piercing the company veil“). Das englische Gesellschaftsrecht ist im Hinblick auf den Gläubigerschutz sogar eher noch strenger als das deutsche GmbH-Recht: Zum Beispiel haftet ein Geschäftsführer nach den Grundsätzen des „wrongful trading“ mit seinem Privatvermögen, wenn er in einer Situation, in der die Gesellschaft objektiv insolvent ist, nicht alles unternimmt, um die Gläubiger der Gesellschaft vor Schaden zu bewahren. Es ist also schlicht falsch, wenn Existenzgründern suggeriert wird, sie könnten über den Weg der Limited ohne nennenswertes Kapital und ohne persönliches Haftungsrisiko eine Geschäftsidee verfolgen. Hier droht wohl noch manchem Jungunternehmer ein böses Erwachen.

Fazit:
Sinnvoll ist eine Limited nur, wenn (a) ein (zu gründendes) Unternehmen tatsächlich international tätig ist und in England auch wirklich ein eigenes Büro unterhält, nicht nur einen gemieteten Briefkasten bei einem kommerziellen Ltd.-Service odert (b) die Struktur der Limited im konkreten Fall Vorteile gegenüber der GmbH hat und der Geschäftsführer sich zutraut, die gesetzlichen Vorschriften zur Limured einzuhalten. Übrigens ist eine Limited nach dem Recht Maltas dann oft die bessere Alternative (siehe ausführlich hier), jedenfalls wenn das Geschäftsprojekt nicht unmittelbar mit England/UK zu tun hat.

In den meisten anderen Fällen ist die Limited für Jungunternehmer gerade keine Alternative zur GmbH. Das Hauptargument, man bräuchte bei der Limited kein Mindestkapital, ist wirtschaftlich betrachtet nicht stichhaltig: Völlig ohne Startkapital kann man kein Unternehmen gründen; versucht man es dennoch, greift meist eine persönliche Haftung wegen Unterkapitalisierung. Ab Herbst 2008 wird dieses Argument des Mindestkapitals noch weniger für die Limited sprechen: Die Politik hat nämlich erkannt, dass das für die GmbH bisher geforderte Mindestkapital von 25.000 Euro (wovon bei Gründung aber nur die Hälfte bar eingelegt werden muss) wohl etwas hoch angesetzt ist. Deshalb wird das Recht der deutschen GmbH derzeit modernisiert und vereinfacht. Künftig genügt zum Start ein einziger Euro Stammkapital. Allerdings muss die GmbH aus den Gewinnen Rücklagen bilden, bis sie das gesamte Stammkapital von 25.000 Euro erreicht hat. Bis dahin darf sich diese Gesellschaft auch noch nicht GmbH nennen, sondern „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“.

Wer dennoch eine englische Limited gründen möchte, findet hier weitere Infos dazu.