Dass auch Rechtsanwälte manchmal extreme Probleme haben, einfachste Entscheidungen zu treffen und sich dann konsequent dran zu halten, bewies gestern Abend bei Anne Will der Berliner Anwaltskollege Mehmet Gürcan Daimagüler, daneben auch Autor des Buches „Kein schönes Land in dieser Zeit – Das Märchen von der gescheiterten Integration“. Seine Kurzbiographie liest sich beeindruckend: Studium der Rechtswissenschaften, Volkswirtschaft und Philosophie in Bonn, Kiel, Witten-Herdecke, Harvard und (!) Yale. Berater bei der Boston Consulting Group, seit 2005 Partner einer Berliner Anwaltskanzlei. Respekt! Erwartungsvoll sitzt man vor dem Fernseher und hofft auf Lösungsvorschläge zur Integrationsaufgabe vom Anwalts-Volkswirt-Philosophen mit Consulting-Erfahrung.

Jedoch, Kollege Daimagüler hat ein Problem, das er während der gesamten Sendung nicht gelöst bekommt: Er kann sich nicht entscheiden, wie er seinen Kontrahenten ansprechen soll. Erst siezte er den ihm scheinbar persönlich bekannten CDU-Politiker Jens Spahn (Parlamentarischer Finanz-Staatssekretär), dann teilte er dem deutschen Publikum zur besten Sendezeit seine innere Zerrissenheit mit, dass er sich nicht entscheiden könnte, ob er diesen fortan weiter siezen oder doch duzen sollte. Und dies, obwohl man in der ersten Stunde des Harvard Rhetorikkurses lernt, dass man sich als Redner nie, nie, absolut nie selbst kommentieren darf, weil erst dann das Publikum überhaupt das Problem des Redners mitbekommt. Dann duzte er sein Gegenüber ein paar Mal. Als nächstes folgte einige Male ein besonders amüsantes „… Du, Sie, Jens Spahn …“. Dann sagte er ein paar Mal nur Jens Spahn, so dass man den Eindruck hatte, er bekäme ein Prämie für maximal häufige Namensnennung innerhalb einer Talkshowstunde. Zwischendrin bot der genervte Spahn als Hilfestellung an: „Jetzt sag doch einfach Du“. Halft aber auch nichts, Daimagüler mäanderte weiter. Jeder halbwegs souveräne Talkshow-Teilnehmer hätte spätestens jetzt gesagt: „Gut, einigen wir uns für heute Abend auf Du“. Kam aber nicht. Vielleicht stand da der Philosoph Daimagüler dem Consultant Daimagüler im Weg. Nun, für eine Weile war das amüsant, dann ging es einem auch als Zuschauer auf den Nerv, weil das alberne Duz-Siez-Fiasko die inhaltliche Diskussion überlagerte. Nun, hoffen wir mal für seine Mandanten, dass der Kollege in seiner Anwaltstätigkeit weniger Entscheidungsprobleme hat. Schließlich ist er Nebenklägervertreter im NSU-Prozess, was ihm auch bei Anne Will in die Diskussion einzuflechten gelang.

Zum Abschluss hier noch der versprochene lustige Link: Die Kollegen vom CCL-Blog schilderten am Freitag einen echten Fall aus der Welt der Zustellung von Dokumenten im Vereinigten Königreich. Lesenswert. Und nun wünsche ich dir, äh Ihnen, äh allen Lesern – und natürlich auch Jens Spahn, einen produktiven Arbeitstag.