Was halten Gerichte von Bewertungs-Plattformen wie www.meinprof.de oder www.spickmich.de?
So mancher Lehrer ist im Internet eine Berühmtheit. Und will das gar nicht. Oder weiß vielleicht nicht einmal davon. Auf Bewertungsportalen wie spickmich.de oder meinprof.de drehen Schüler bzw. Stundenten den Spieß um und benoten ihre Lehrer; oft aus Wut und als Retourkutsche für eine vermeintlich unfaire Behandlung. Da fängt sich eine Lehrkraft schnell mal glatte Sechsen in „Fairness bei der Notenvergabe“, „Charakter“ oder gar „Attraktivität“ ein. Muss man sich das gefallen lassen? Wie immer bei Rechtsfragen: Es kommt darauf an.
Nun, manches kann und sollte man als Pädagoge ohnehin wohl besser mit gelassener Souveränität ertragen. Bei persönlichen Beleidigungen ist für viele Lehrkräfte aber die Grenze überschritten und sie wollen gegen solche Veröffentlichungen im Internet vorgehen. Fühlt sich jemand durch den Inhalt einer Website verletzt, wird er im Impressum die für den Inhalt Verantwortlichen recherchieren und von diesen Beseitigung sowie Unterlassung (für die Zukunft) verlangen, vielleicht sogar Schmerzensgeld wegen Ehrverletzung. Was sind nun die rechtlichen Rahmenbedingungen für solche Bewertungsplattformen?
Antworten geben vor allem zwei Rechtsgebiete: (1) das (öffentlich-rechtliche) Datenschutzrecht und (2) das sog. allgemeine Persönlichkeitsrecht, mit § 1004 BGB als Grundlage für Abwehr- und Unterlassungsansprüche sowie § 823 Abs. 1 und 2 BGB als Normen für Schadensersatz, inklusive Schmerzensgeldanspruch. Im Einzelnen:
1) Datenschutz
Hier ist vieles strittig, beginnend mit der Frage, welche Normen auf solche Bewertungsportale überhaupt anwendbar sind. Der Umgang mit sog. personenbezogenen Daten wird durch verschiedene Gesetze geregelt, speziell dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und dem Telemediengesetz (TMG), allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (§ 3 Absatz 1 BDSG), also zum Beispiel Name des Lehrers, seine Schule, Fächer u.s.w. (vgl. LG Köln, Urteil vom 11.7.2007, Az. 28 O 263/07). Aber welche Datenschutzgesetze sind – wenn überhaupt – anwendbar? Sehr schwierige Frage, da kein einheitliches Datenschutzgesetzbuch existiert, sondern viele einzelne Gesetze auf Bundes- und Länderebene, die sich teilweise sogar widersprechen. Die Details sprengen den Rahmen diese Artikels, daher nur das Ergebnis:
a) Das Telemediengesetz (TMG) hilft dem Lehrer hier nicht weiter. Zwar ist die Online-Bewertungsplattform ein Telemedium, das TMG regelt aber nur den Umgang mit Daten der Nutzer des Internetangebots. Hier geht es aber um den auf der Website eingestellten Inhalt, nicht um Daten von Lehrern, die diese als Nutzer dort hinterlassen haben. Nach § 11 Abs. 4 TMG sind somit (nur) die sonstigen Datenschutzbestimmungen anwendbar, also insbesondere das Bundesdatenschutzgesetz (die Landesdatenschutzgesetze betreffen nur öffentliche Stellen der Länder, also Landesbeörden und Kommunen, nicht aber private Internetbetreiber).
b) Verletzt die Plattform §28 oder 29 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)? Die Antwort wäre jedenfalls nein, wenn sich die Internetbetreiber auf das Medienprivileg des § 41 BDSG berufen könnten, eine Norm, die den Umgang mit personenbezogenen Daten für die Presse erleichtert. Bei den meisten Plattformen ist dies wohl nicht der Fall, weil man den Inhalt kaum ernsthaft als journalistische Tätigkeit werten kann. Vielmehr ist die Bewertungsplattform ein bloßer „Informations“-Dienst ohne redaktionelle Aufbereitung. Für eine journalistische Tätigkeit ist mehr nötig, als das reine Sammeln und Publizieren von Fakten. Allerdings: Wenn sich Betreiber von Plattformen (künftig) hier mehr Mühe geben und journalistischen Kontaxt beisteuern, könnte es anders aussehen.
Mangels Medienprivileg sind die allgemeinen Regeln des BDSG also prinzipiell anwendbar. Da der Online-Anbieter keine öffentliche datenverarbeitende Stelle ist, gelten die §§ 27 ff BDSG (i.V.m. den §§ 1 bis 11 BDSG). Aus den §§ 28, 29 BDSG ergibt sich, unter welchen Voraussetzungen es auch ohne Einwilligung der Betroffenen (hier: Lehrer und Professoren) zulässig, personenbezogene Daten zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen. Juristisch strittig ist hier wiederum die Abgrenzung der Anwendungsbereiche zwischen § 28 und § 29. § 28 BDSG regelt den Umgang mit Daten zur Erfüllung eigener Geschäftszwecke, § 29 BDSG dagegen die Konstellation, dass Daten gerade zum Zwecke ihrer Übermittlung vorgehalten werden sollen. Bewertungsplattformen erfüllen in der Regel keine eigenen Geschäftszwecke, es gilt also § 29 BDSG. Anders sah dies – für das Bewertungsportal www.MeinProf.de – das Landgericht Berlin (Urteil vom 31.5.2007, Az. 27 S 2/07). Im Ergebnis macht das aber keinen Unterschied, denn die Gerichte erkennen – jedenfalls solange es sich um personenbezogene Daten aus allgemein zugänglichen Quellen handelt – keinen Verstoß gegen das BDSG. Sowohl §28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG als auch § 29 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG enthalten hierfür eine Privilegierung. Bei § 29 gilt dieses Privileg allerdings nur, wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung offensichtlich überwiegt.
Fazit: Das Datenschutzrecht ist eine schwache Anspruchsgrundlage und hilft dem Lehrer – wenn überhaupt – nur in bestimmten Konstellationen weiter.
2) Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Dies ist der interessantere Ansatz für betroffene Lehrer. Für den Fall, dass die auf der Plattform stehenden „Informationen“ über den Lehrer dessen Persönlichkeitsrecht verletzen, kann er Beseitigung des Eintrags und Unterlassung künftiger Einträge verlangen (aus § 1004 BGB analog) sowie Schadensersatz (insbesondere Ersatz der Anwaltskosten) und vielleicht sogar Schmerzensgeld (aus § 823 Abs. 1 BGB, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht richterrechtlich als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist). Und zwar nicht nur vom eigentlichen (unmittelbaren) „Täter“, also dem meist anonymen Schüler, der den Eintrag gepostet hat, sondern auch von jedem, der ursächlich und willentlich an einer Rechtsverletzung mitwirkt, also auch vom Betreiber der Plattform. Nur dieser Anspruch gegen den Betreiber der Website ist praktisch relevant, da der konkrete Autor des Beitrags ja in der Regel nicht ermittelt werden kann.
Genau da liegt aber das Problem: Prinzipiell haften Betreiber von Websites für deren Inhalt, allerdings haben Gerichte in vielen Entscheidungen (zu Forenbetreibern, Onlineportalen u.a.) anerkannt, dass eine Störerhaftung den Betreiber überfordern kann und daher eines Korrektivs bedarf. Dem Betreiber einer Website ist es in Zeiten des Internet 2.0 nicht möglich, jeden Beitrag vorher zu kontrollieren und erst freizugeben, wenn er ihn für unbedenklich hält. Ein Anspruch gegen den Betreiber besteht also nur, wenn dieser zumutbare Prüfpflichten verletzt. Die meisten Landgerichte und Oberlandesgerichte verlangen vom Betreiber eines Forums, Gästebuchs oder sonstigen Kommunikationsplattform gerade keine anlassunabhängigen Kontrollen der Beiträge. Eine allgemeine Überwachungs- und Nachforschungspflicht besteht also nicht. Der Betreiber haftet als Störer also erst dann, wenn er konkret auf einen (möglicherweise) rechtswidrigen Inhalt hingewiesen wird und dann nicht (innerhalb angemessener Zeit) reagiert.
Ergebnis:
Faktisch hat der Lehrer kaum eine Handhabe, gegenüber dem Betreiber mehr durchzusetzen, als die Löschung eines bereits existierenden Beitrags. Ansprüche auf Unterlassung, auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld sind in den meisten Fällen gegen den Betreiber der Website nicht durchsetzbar.
Anders sieht es aus, wenn man den konkreten Autor ermitteln kann. Dieser haftet bei Persönlichkeitsverletzungen (also bei Beleidigungen, Falschbehauptungen und der Unterstellung falscher Zitate) auf der ganzen Linie.
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Urteile zum Thema:
Zum Schülerportal www.spickmich.de: LG Köln vom 11.07.2007, Az. 28 O 263/07
Urteil_LG_Koeln_Spickmich_263_07
Zum Studentenportal www.MeinProf.de: LG Berlin vom 31.5.2007, Aktenzeichen 27 S 2/07
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