Ja, auch wir ärgern uns über unverlangte Werbemails in unserem Posteingang. Die Dreistigkeit vieler Spammer ist schwer erträglich. Dennoch klicken wir die Mails meist nur genervt weg. Die anonymen aus dem Ausland sowieso, aber auch die, bei denen der Versender so treudoof ist, ein deutsches Impressum anzugeben.
Jetzt Perspektivwechsel: Manchmal beichtet uns der eine oder andere Mandant, dass er gewerbliche Werbemails verschickt und es mit dem Double-Opt-In-Verfahren nicht so genau genommen hat. Es liegt dann die übliche Unterlassungsaufforderung mit Anwaltsrechnung über 300 bis 700 Euro auf dem Tisch. Manche Mail-Versender kennen dieses Risiko und kalkulieren kostenmäßig von Anfang an mit ein, dass sich einer von 100 Empfängern per Abmahnung wehren wird. Andere sind naiv unterwegs und fallen dann aus allen Wolken, wenn wir ihnen die deutsche Gesetzeslage und Rechtssprechung zu diesem Thema erläutern. Ein häufiger Irrtum von Marketinglern ist, sie dürften Mails an Empfänger senden, die in von einem Adressanbieter „gekauften“ Adressbeständen stehen. Das ist natürlich falsch. Diese Adresshändler haben von den in ihren Listen enthaltenen Firmen und Personen in aller Regel keine Einwilligung eingeholt, dass diese mit der Zusendung aller möglichen Werbemails einverstanden sind. Die Adresshändler sammeln die Daten vielmehr in aller Regel aus diversen Quellen, zum Beispiel den Firmenverzeichnissen der IHKs. Adresshändler machen auch keine entsprechenden Zusagen. Es hilft also nichts. Wer jemandem eine Werbung zuschicken will, muss vorher dessen Einwilligung einholen.
Kann der Anwalt dann überhaupt irgend etwas tun, um den Schaden für seinen Mandanten zu minimieren? Nun ja, nicht allzu viel. Zunächst einmal sollte der Mandant möglichst schnell die strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben, natürlich mit dem schönen Juristensatz „ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht, dennoch rechtsverbindlich“. In der Unterlassungserklärung aber keine Aussagen zu den Anwaltskosten machen! Weder anerkennen, noch ablehnen. Den Passus zu den Anwaltskosten schlicht streichen. Mit Abgabe der Unterlasungserklärung ist schon mal das Risiko gebannt, dass der Gegner eine Unterlassungsklage einreicht, bei der dann – zusätzlich – Verfahrens- und Terminsgebühr aus einem relativen hohen Gegenstandswert (dazu gleich) anfalle.
Die Parteien streiten ab jetzt „nur“ noch über die vorprozessuale Geschäftsgebühr des abmahnenden Anwalts (Nr. 2300 RVG VV). Dieser verlangt meist standardmäßig die 1,3-Regelgebühr aus einem Gegenstandswert von 3.000 bis 6.000 Euro. Besonders forsche Kollegen gehen bis zu 10.000 Euro hoch, zurückhaltende Anwälte, die zu 100% sicher gehen wollen, dass das Gericht die Höhe im Ernstfall nicht beanstandet, setzen vielleicht auch nur 1.000 oder 2.000 Euro an. Die Gerichte haben hier in den letzten Jahren recht unterschiedliche Streitwerte bei Spam-Mail-Abmahnungen angesetzt (siehe die Übersicht der Kollegen Ferner hier). Die Praxis scheint sich wohl – relativ hoch – bei 6.000 Euro einzupendeln. Zur Erinnerung: Es geht um eine e-Mail, die – wenn sie nicht ohnehin vom Spamfilter ausortiert wird – in zwei Sekunden weggeklickt werden kann. Selbst wenn man in der Argumentation auf die Kosten eines Spamfilters (den aber ohnehin jeder benötigt) und auf die Kosten für vergeudete Arbeitszeit abstellt, erscheinen 6.000 Euro recht satt. Aber gut, so ist es halt. Dennoch lohnt es sich, über die Höhe des Gegenstandswertes zu diskutieren.
Übrigens: Wenn der Empfänger der Spam-Mail vorsteuerabzugsberechtigt ist, kann der Anwalt nur den Netto-Betrag vom Versender der Mail verlangen. Die Umsatzsteuer ist beim Auftraggeber ja ein Durchlaufposten. Auch ein Fehler, den man in der Praxis immer wieder feststellt.
Der zweite Hebel, um den abmahnenden Anwalt etwas herunterzuhandeln, ist der Gebührensatz. Der Regelsatz von 1,3 gilt für Fälle von durchschnittlichem Umfang und Schwieriegkeitsgrad. Nun sind aber Unterlassungsaufforderungen wegen unverlangt zugesander Werbemails meist weder rechtlich schwierig noch umfangreich. Ein Gebührensatz von 0,8 bis 1,0 erscheint daher völlig ausreichend. Wenn der Abmahnanwalt auf 1,3 besteht, so soll er konkret darlegen, warum der Fall durchschnittlich und nicht einfach gelagert ist (Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Angelegenheit, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sowie Haftungsrisiko). Schließlich beginnt der Gebührenrahmen bei 0,5. Theoretisch ein langer Weg bis 1,3. Wenn eine Standardabmahnung wegen Spam-Mail kein einfacher Fall ist, wann käme die 0,5 Gebühr dann überhaupt jemals zum Tragen? Weitere Ausführungen zur Geschäftsgebühr hier.
In manchen Fällen kann man auch versuchen, den abmahnenden Anwalt mit einem Bauerntrick zu verunsichern. Hat der Anwalt seinem Schreiben nämlich keine Originalvollmacht beigefügt (was durchaus häufig vorkommt, weil sich viele Anwälte nur Fax- oder PDF-Scan-Vollmachten geben lassen oder selst nur Fax oder PDF-Schreiben versenden), kann der Mandant die Abmahnung unter Berufung auf § 174 S. 1 BGB zurückweisen, dann schnell die strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben und sodann argumentieren, die erste Abmahnung war wegen eines Formfehlers unwirksam und die zweite Abmahnung (mit Vollmacht) überflüssig, da vorher bereits erledigt. Sehr weit wird man damit im Ergebnis aber spätestens seit BGH I ZR 140/08 nicht kommen, zumindest in den Fällen, in denen – wie in der Praxis meist – ein „Angebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrags“ mit beigefügt ist. Sehr überzeugend finde ich das nicht (ist dann eine arbeitsrechtliche Kündigung durch einen Anwalt ohne Vorlage einer Originalvollmacht auch wirksam, wenn der Kündigung ein Angebot auf Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung beiliegt? wohl kaum). Aber gegen ein BGH-Urteil wird man vor dem Amtsrichter nur selten ankommen. Kommentar zum BGH-Urteil hier.
Fazit: Der (zu recht) Abgemahnte hat nur einen engen Spielraum, um sich gegen Anwaltskosten effektiv zu wehren. Bei Gegenstandswerten bis 3.000 Euro und Gebührensatz 1,0 oder niedriger (ergibt Gebühr von rund 190 Euro netto) lohnt es sich kaum, mit dem Gegneranwalt zu diskutieren. Wenn man hierfür einen eigenen Anwalt einschaltet, will der ja auch bezahlt werden. Selbst wenn der eigenen Anwalt den Gegner also etwas herunter handelt, ist es in Summe teurer. Verlangt der Gegneranwalt 300 Euro (netto) oder mehr, kann man mit den oben gezeigten Argumenten versuchen, den betrag zu drücken. Psychologisch sinnvoll kann es dabei sein, einen Teilbetrag (ca. 150 Euro) schon einmal auf das Anwaltskonto zu zahlen (wieder „ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und unter dem Vorbehalt der Rückforderung“). Mit etwas Glück ist dann beim Gegneranwalt die Luft raus. Ob er sich dann wegen der Differenz von 100 oder 200 Euro die Mühe einer Klage und Anreise zum Termin machen will? In vielen Fällen wohl eher nicht.
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