Letzter Ausweg: Die Öffentliche Zustellung einer Klageschrift (§185 Nr. 1 ZPO)

Wie kann man eine Klage an den Prozessgegner zustellen, wenn dessen Adresse unbekannt ist, Anwaltsbriefe und Gerichtspost also mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ als unzustellbar zurück kommen? Das kommt gar nicht so selten vor, wenn ein Schuldner mit einer oder mehreren Zivilklagen rechnet und sich dann lieber aus dem Staub macht, ohne sich beim Einwohnermeldeamt ab- und umzumelden (was gem. § 17 und 54 Bundesmeldegesetz eine Ordnungswidrigkeit ist, jedenfalls für Mieter). Postnachsendeanträge stellen solche Schuldner natürlich erst recht nicht.

Nun kann man sich natürlich die Frage stellen, ob eine Klage bei unbekanntem Aufenthalt des Schuldners überhaupt sinnvoll ist, denn man kann ja später auch das Versäumnisurteil nicht vollstrecken. Mehr zum Thema Versäumnisurteil hier:

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Der Gläubiger muss daher überlegen, wie wahrscheinlich es ist, dass man den Schuldner später irgendwann wieder findet. So lange sollte man vielleicht mit der Klage noch abwarten, um nicht auch noch auf den Prozesskosten sitzen zu bleiben (der Kläger muss die Gerichtskosten ja vorstrecken). Will man solche Schuldner trotzdem bereits jetzt, also kurzfristig verklagen, etwa weil man eine Verjährungsfrist unterbrechen muss, stellt die ZPO in § 185 Nr. 1 ein Werkzeug zur Verfügung, die sog. öffentliche Zustellung. Der Wortlaut des Paragrafen lautet kurz und knackig:

Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn

1. der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist,

 

Wann erlaubt das Gericht die Öffentliche Zustellung?

Nun genügt es dem Gericht aber in aller Regel nicht, wenn der Kläger nur eine erfolglose Zustellung (also das Kuvert mit dem Postvermerk „unbekannt verzogen“) sowie eine ergebnislose Einwohnermeldeamtsanfrage nachweist. Die Anforderungen des § 185 Nr. 1 ZPO sind ziemlich hoch und können den Kläger in der Praxis einigermaßen frustrieren. Bevor es die Öffentliche Zustellung anordnet, verlangt das Gericht vom Kläger „alle zumutbaren und geeigneten Maßnahmen“ ergreifen, um den Aufenthaltsort selbst zu ermitteln. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Nachfrage beim Vermieter der letzten Meldeadresse sowie auch bei den dortigen Nachbarn
  • Nachfrage bei Sozialversicherungsbehörden
  • Nachfrage bei Haftanstalten/örtlicher Polizeibehörde
  • Nachfrage bei Verwandten

Alle diese Bemühungen und deren Erfolglosigkeit müssen dem Gericht in tatsächlicher Hinsicht detailliert vorgelegt werden, damit sich das Gericht überzeugen kann, dass der Aufenthalt tatsächlich unbekannt ist.

In der Praxis kollidieren diese Recherchen natürlich oft mit dem deutschen Datenschutz, denn Behörden oder Arbeitgeber sind ja nicht verpflichtet, Auskunft zu erteilen. Im Gegenteil, sie dürfen es in aller Regel gar nicht, weil sie damit gegen den Datenschutz, die heilige Kuh des deutschen Rechts, verstoßen würden. Und Verwandte bzw. Nachbarn halten entweder oft zum flüchtigen Schuldner und sagen deshalb nichts, oder aber sie haben selbst keine Ahnung, wo der Schuldner jetzt wohnt.  Also ist oft von vornherein klar, dass die ganzen Anfragen nichts bringen werden. Hilft aber nichts, für das Gericht muss man dennoch ein paar Seiten dazu schreiben.

Wie erfolgt die Öffentliche Zustellung?

Hat den die Richterin / den Richter davon überzeugt, dass der Aufenthalt wirklich nicht ermittelbar ist, ordnet das Gericht die Öffentliche Zustellung durch „Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel“ an, d.h. die Dokumente werden im Gerichtsflur an ein schwarzes Brett gepinnt. Reagiert der Schuldner hierauf nicht innerhalb einer vom Gericht festgesetzten Frist, dann gilt die Klage (oder sonstige Verfügung des Gerichts) als zugestellt. Natürlich reagiert auf eine öffentliche Zustellung so gut wie nie jemand, weil der Schuldner es nicht mitbekommt. Deshalb sind die Voraussetzungen ja auch so streng, denn wenn man eine Öffentliche Zustellung erreicht hat, bedeutet das meistens, dass man auch ein Versäumnisurteil bekommen wird.

Auch jetzt muss man den Schuldner (oder sein Vermögen) finden, aber erstens hat man mit einem Urteil nun 30 Jahre Zeit und zweitens kann man mit einem Urteil Abfragen bei allen deutschen Banken machen und Konten pfänden. Die Chancen steigen nun also, dass man zumindest ein Bankkonto ausfindig machen kann. Mehr dazu in diesen beiden Beiträgen:

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Zum Thema „Was kostet ein Zivilprozess“ finden Sie praktische Infos und Tipps in diesem Video:

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