BGH-Urteil macht Züchtern das Leben schwer

Verkäufer von Tieren sollten künftig zwei verschiedene Vertragsformulare parat halten: eines für „neue“ und eines für „gebrauchte“ Tiere. Der Bundesgerichtshof entschied nämlich, dass auch Tiere „neue Sachen“ im Sinn des Sachmängelrechts sein können. Wann ist ein Tier nun neu oder gebraucht? Welche Rechtsfolgen ergeben sich jeweils daraus?

Im Jahr 2002 reformierte der Gesetzgeber das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), insbesondere das sog. Schuldrecht. Dieses regelt (u.a.) die Rechte von Käufer und Verkäufer, wenn die verkaufte Ware mangelhaft ist. Für Tiere gelten seit 2002 nun exakt dieselben Paragraphen wie für CD-Player und Waschmaschinen. Man kann sich aber vorstellen, dass es bei Lebewesen sehr viel schwieriger ist, einen Mangel objektiv festzustellen: Wann hat das Pferd „die von den Parteien bei Vertragsschluss vorausgesetzte Beschaffenheit“? Wann ist eine (unerwünschte) Verhaltensweise des Pferdes ein Mangel? Wann ist ein solcher Mangel wesentlich? Und ist der Mangel evtl. behebbar? Alle diese Begriffe sind im Recht der Sachmängelgewährleistung wichtig, da die Rechte des Käufers unterschiedlich sind, je nachdem, ob diese Fragen mit Ja oder Nein beantwortet werden. Als ob die Sachlage nicht schon kompliziert genug wäre, setzte der BGH im November 2006 nun noch eins drauf: Er urteilte, dass Tiere nicht generell als „gebraucht“ anzusehen sind. Ein Pferd, das im Zeitpunkt des Verkaufs noch jung ist (im konkreten Fall ging es um ein sechs Monate altes Hengstfohlen) und noch nicht „benutzt“ wurde, ist laut BGH eine „neue Sache“.

Zum Verständnis der Entscheidung muss man zunächst fragen, was es denn für einen Unterschied macht, ob ein Pferd als neu oder gebraucht eingestuft wird. Diese Frage ist für gewerbliche Verkäufer (§ 14 BGB) und Verbraucher (§ 13 BGB) höchst relevant, umso mehr, wenn sie einen Standardvertrag verwenden: Nach Gesetz beträgt die Verjährungsfrist für Ansprüche des Käufers bei einem Mangel der Kaufsache zwei Jahre (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Die Parteien können von dieser gesetzlichen Verjährungsfrist zwar abweichen, indem sie im Kaufvertrag eine kürzere oder längere Verjährung vereinbaren. Bei einem Verbrauchsgüterkauf (wenn also ein Unternehmer einem Verbraucher gegenübersteht) verbietet § 475 Abs. 2 BGB jedoch gerade die Verkürzung der Verjährungsfristen auf weniger als zwei Jahre – aber nur bei neuen Sachen! Bei gebrauchten Sachen darf der Verkäufer die Verjährungsfrist dagegen auf ein Jahr verkürzen. Es macht also für den unternehmerischen Verkäufer einen gewaltigen Unterschied, ob das Pferd noch als neu gilt oder nicht. Ist das Pferd im Sinne der Rechtssprechung gebraucht, so kann er seine Haftung auf ein Jahr reduzieren. Handelt es sich dagegen um ein neues Pferd, so muss er volle zwei Jahre für Mängel des Pferdes einstehen.

Ist ein Pferd „neu“ oder „gebraucht“?

Wie unterscheiden nun die BGH-Richter ein „neues“ von einem „gebrauchten“ Pferd? Sie machen es sich einfach und sagen: Das sollen die Gerichte in jedem Einzelfall individuell entscheiden. Die genauen Kriterien müssen deshalb erst in den kommenden Jahren durch die Rechtssprechung herausgearbeitet werden. Der BGH selbst hat hier vieles offen gelassen und sogar an einer Stelle darauf hingewiesen, „dass der Beginn des Gebrauchtseins möglicherweise nicht für alle Tiere nach einheitlichen Regeln bestimmt werden kann“. Er entschied, dass jedenfalls solche Tiere als „neu“ anzusehen sind, die „nur mit dem in ihrer Existenz selbst wurzelnden Lebens- oder Gesundheitsrisiko behaftet“ sind, nicht aber mit Risiken, die „typischerweise durch Gebrauch“ (also z. B. durch Beritt) entstehen. Konkret handelte es sich im vorliegenden BGH-Fall um ein sechs Monate altes Fohlen, das sich noch nicht von der Mutterstute abgesetzt hatte. Nach Auffassung des Gerichts gab es deshalb noch keine „externen Einflüsse“, die die Beschaffenheit des Fohlens im Sinne eines „Gebrauchtseins“ verändert haben könnten.

Persönlich halte ich diese Entscheidung für nicht praxisgerecht. Anders als bei einem originalverpackten CD-Player, der im Warenregal liegt (also tatsächlich neu ist), ist ein Lebewesen ab seiner Geburt externen Einflüssen ausgesetzt: Art und Weise der Pflege, Fütterung, Zuwendung usw. Es kann sich ein Fohlen daher im einen Stall völlig anders entwickeln als im anderen. Das Urteil schafft Rechtsunsicherheit, da künftig für jedes einzelne Tier entschieden werden muss, bis zu welchem Alter und unter welchen Voraussetzungen es als „neu“ einzustufen ist. Vollends ins Chaos führt der Hinweis des BGH, dass dies je nach Tierart ganz unterschiedlich sein kann: So sind Aquariumsfische anders zu beurteilen als Hunde oder Pferde, da man mit letzteren arbeitet und sie erzieht. Gewerbliche Tierverkäufer müssen somit künftig zweierlei Kaufverträge bereit halten, solche für neue Tiere und solche für gebrauchte. Nur bei letzteren ist die Verkürzung der Sachmängelverjährung auf ein Jahr zulässig.