Corona: Hilft die Force-Majeure-Klausel in Verträgen?
Spätestens mit der Schließung der Grenzen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (COVID-19) kommt es zwangsläufig zu Verzögerungen und Ausfällen im internationalen Warenverkehr.
Für deutsche und ausländische Unternehmen stellt sich die Frage: Muss ich noch liefern und wer haftet für verzögerungs- oder ausfallbedingte Schäden?
Hier hilft es, zunächst die eigenen Verträge auf sog. „Force-Majeure-Klauseln“ hin zu überprüfen. In zahlreichen Verträgen gehören solche Klauseln zum Standardinhalt und können in etwa so ausgestaltet sein:
„In Fällen höherer Gewalt ist die hiervon betroffene Vertragspartei für die Dauer und im Umfang der Auswirkung von der Verpflichtung zur Lieferung oder Abnahme befreit. Höhere Gewalt ist jedes außerhalb der Kontrolle des Vertragspartners liegende Ereignis, durch das er ganz oder teilweise an der Erfüllung seiner Verpflichtung gehindert wird, einschließlich Feuerschäden, Überschwemmungen, Epidemien, Streiks und rechtmäßiger Aussperrungen sowie nicht von ihm verschuldeten Betriebsstörungen oder behördlicher Verfügungen. Die betroffene Vertragspartei hat der anderen Vertragspartei den Eintritt sowie den Wegfall der höheren Gewalt unverzüglich anzuzeigen. (…) Jede Vertragspartei ist berechtigt, von der hiervon betroffenen Bestellung zurückzutreten, wenn die höhere Gewalt mehr als 6 Wochen seit dem vereinbarten Lieferdatum andauert.“
In diesem Beispiel ist sowohl der Begriff der höheren Gewalt als auch die Rechtsfolge klar geregelt. Die betroffene Vertragspartei wird gemäß § 275 BGB für die Dauer des Ereignisses von ihrer Leistungspflicht frei. Beide Vertragsparteien bleiben jedoch bis zum Ablauf von 6 Wochen an das Vertragsverhältnis gebunden. Erst wenn eine Vertragspartei nach Ablauf der 6 Wochen ausdrücklich vom Vertrag zurücktritt so wird das Vertragsverhältnis rückabgewickelt. Schadensersatz hat die betroffene Partei nur zu leisten, wenn diese die Schäden zu vertreten hat – etwa durch eine verzögerte Mitteilung an den Vertragspartner.
Sollten sich im Vertrag keine expliziten Regelungen finden, so lohnt sich ein Blick auf die gesetzliche Rechtslage. Grundsätzlich trägt der Verkäufer das Beschaffungsrisiko. Das heißt der Verkäufer hat dafür zu sorgen, dass er die Ware auch tatsächlich liefern kann. Ist er hierzu nicht in der Lage, muss er die Ware ggf. auf seine Kosten anderweitig beschaffen.
Anders ist dies in Fällen der „force majeure“ oder „höheren Gewalt“. Hierunter versteht man ein „von außen kommendes, unvorhersehbares und unbeherrschbares außergewöhnliches Ereignis, das auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet werden kann“. Nach der Rechtsprechung des BGH sind Epidemien (und folglich Pandemien) solche von außen kommenden Ereignisse und Fälle höherer Gewalt.
„Corona“ ist demnach klar ein Fall der höheren Gewalt.
Die gesetzliche Folge: der zur Leistung verpflichtetet Vertragspartner wird gemäß § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht frei. Das heißt, der Verkäufer braucht nicht mehr zu liefern; der Käufer aber auch nicht mehr zu bezahlen (§ 326 Abs. 1 BGB). Die Vertragsparteien gehen auseinander als hätte es keinen Vertrag gegeben. Hat der von der höheren Gewalt betroffene Vertragspartner den Ausfall oder die Verzögerung nicht zu vertreten – was bei Fällen höherer Gewalt häufig so ist – haftet dieser auch nicht für dadurch entstandene Schäden.
Dies gilt jedoch nicht, wenn das schädigende Ereignis bei Vertragsschluss bereits vorsehbar war. Hier bleibt es beim Beschaffungsrisiko des Verkäufers.
Im internationalen Warenverkehr ist darüber hinaus ggf. Art 79 CISG zu beachten. Danach hat die betroffene Vertragspartei für die Nichterfüllung ihrer vertraglichen Pflicht nicht einzustehen, wenn die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und von ihr nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsschluss in Betracht zu ziehen oder seine Folgen zu vermeiden. Den Hinderungsgrund sowie die Auswirkung auf die Vertragserfüllung muss die Vertragspartei innerhalb angemessener Frist mitteilen.
Ob ein Hinderungsgrund aber bei Vertragsschluss erkennbar war oder die Folgen möglicherweise vermieden werden konnten und ob die Mitteilung innerhalb angemessener Frist gemacht wurde, hängt sehr vom Einzelfall ab und ist ein häufiger Streitpunkt.
Da die weitere Entwicklung der Lage derzeit nach wie vor nicht absehbar ist, können im internationalen Warenverkehr Force-Majeure-Klauseln nach wie vor für klare Verhältnisse sorgen – wenn folgende Punkte beachtet werden:
Achten Sie auf möglichst umfassende, aber nicht abschließende Aufzählung der Fälle höherer Gewalt.
Achten Sie auf individuelle Vereinbarungen. Im B2B-Verhältnis hebeln widersprechende AGB die beabsichtigte vertragliche Regelung möglicherweise aus.
Klären Sie die Rechtsfolgen. Eine sofortige Vertragsauflösung ist nicht immer die beste Option.
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