Eine Praxis-Checkliste

Betriebsbedingte Kündigungen oder gar Massenentlassungen waren in den vergangenen Jahren eher selten. In Zeiten des Fachkräftemangels überlegen es sich Unternehmer lieber zweimal, ob sie Mitarbeiter verprellen. Aktuell zwingt die Kombination aus explodierenden Energiepreisen, gestörten Lieferketten, zurückhaltenden Verbrauchern und daraus resultierender Wirtschaftsrezession etliche Unternehmen dazu, ihre Belegschaft zu verkleinern, ob sie wollen oder nicht. Denn als Alternative droht sonst eine Insolvenz. Betriebsbedingte Kündigungen von Arbeitnehmern sind daher leider wieder häufiger Thema, auch bei unseren Mandanten.

Wann gibt es eine Abfindung?

Erhalten gekündigte Mitarbeiter dann wenigstens eine Abfindung, die sie über ein paar Monate rettet, bis hoffentlich eine neue Stelle gefunden ist? Wenn ja, in welcher Höhe? Hier eine kurze Checkliste, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber eine Abfindung zahlen muss.

Landläufig existiert bei vielen Angestellten und deren Familien die Vorstellung, dass ein gekündigter Arbeitnehmer „irgendwie immer“ Anspruch auf eine Abfindungszahlung hat. Und tatsächlich zahlen in der Praxis Arbeitgeber oft eine solche Abfindung, vor allem wenn der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erhoben hat. Dies aber nicht unbedingt, weil das Gesetz eine Abfindung zwingend vorschreibt, sondern weil der Arbeitgeber befürchtet, dass bei der Kündigung irgendetwas falsch gelaufen ist, ein Formfehler oder eine falsche Sozialauswahl. Dann trägt der Arbeitgeber das Risiko, dass das Arbeitsgericht viele Monate später urteilt, dass die Kündigung unwirksam war. Das heißt, der Arbeitgeber hat den Mitarbeiter – Verzeihung – immer noch an der Backe, d.h. muss ihn/sie weiter beschäftigen und für all die Monate, in denen der Arbeitsgerichtsprozess lief, das Gehalt nachzahlen.

Und es geht bei Kündigungen im Arbeitsrecht erstaunlich oft etwas schief, d.h. der Arbeitgeber – sogar große Unternehmen mit eigenen Rechtsabteilungen – hat irgend einen Fehler gemacht.

Abfindung als Risikobegrenzung

Der Arbeitgeber „erkauft“ sich mit der Abfindung somit oft nur das Risko, eventuell den Prozess zu verlieren und den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen zu müssen. Denn wenn die Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung erfüllt sind, gibt es keinen Abfindungsanspruch. Einzige Ausnahme: Der AG erklärt in einer betriebsbedingten Kündigung, dass der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Kündigungsfrist eine Abfindung nach § 1 a 1 KSchG erhält. Dann entsteht mit Ablauf der 3-wöchigen Kündigungsfrist ein Anspruch auf Abfindung in Höhe vom „0,5 Monatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses“ (§ 1 a Abs. 2 KSchG).  Ein Anspruch auf diese Abfindung besteht aber nur, wenn der Arbeitgeber diese ausdrücklich in der Kündigungserklärung angeboten hat. Ansonsten besteht kein Abfindungsautomatismus.

Nochmal: In der Praxis werden Kündigungsschutzverfahren beim Arbeitsgericht trotzdem häufig durch Abfindungszahlungen beendet, weil man sich des Prozessrisikos entledigen möchte und weil beide Parteien – auch aus psychologischen Gründen – das Arbeitsverhältnis nicht mehr weiter fortführen möchten. Der Mitarbeiter, der auf Unwirksamkeit der Kündigung klagt, will ja meistens selbst gar nicht mehr in diesem Betrieb arbeiten

In diesem Fall ist die Höhe der Abfindung zwischen den Parteien frei verhandelbar. Die oben angesprochene und von Mandanten als feste Abfindungshöhe abgespeicherten „0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr“ sind in der Praxis lediglich ein erster Ausgangspunkt für die Verhandlung der Abfindung. Je höher die Gefahr ist, dass die Kündigung unwirksam ist, desto eher wird der AG bereit sein, die Abfindung zu erhöhen. Die Formel lautet daher eher:

Bruttomonatsgehalt x Jahre der Betriebszugehörigkeit x Risikozuschlag oder -abschlag (zwischen 10 % und 300 %)

 

Checkliste Kündigung im Arbeitsrecht

Wenn man die Erfolgsaussichten der Kündigungsschutzklage prüfen will, sind folgende Kriterien entscheidend:

  • Fristgerechte Erhebung der Kündigungsschutzklage (3 Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung). Lässt man diese Frist verstreichen, gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, auch wenn die Kündigung unwirksam gewesen wäre (§ 7 KSchG).
  • Wurde die Schriftform der Kündigung eingehalten und wurde die Kündigung im Original unterschrieben.
  • Ist derjenige, der Kündigung unterschrieben hat, hierzu überhaupt berechtigt? Hat der Arbeitgeber, also der Geschäftsführer/Vorstand unterzeichnet? Hat der Unterzeichnende das Recht zur Alleinvertretung? Bei Vertretung muss der Kündigung eine schriftliche Originalvollmacht beigefügt werden. Ansonsten besteht Zurückweisungsmöglichkeit des Arbeitnehmers.
  • Ist die ordentliche Kündigung schon durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung ausgeschlossen?
  • Falls im Unternehmen ein Betriebsrat/Personalrat existiert. Wurde dieser (ordnungsgemäß) angehört? Hierzu folgender Hinweis: Wurde der Betriebsrat angehört und stimmt der Kündigung nicht zu, kann der Arbeitgeber die Kündigung dennoch aussprechen.
  • Ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar?  Für die Anwendbarkeit des KSchG gilt ein Schwellenwert von 10 Arbeitnehmer. Kleinbetriebe sind somit aus dem Anwendungsbereich des KSchG ausgenommen. In diesen Fällen haben AN eine wesentlich schwächere Rechtsposition. Der Arbeitgeber kann in diesen Fällen praktisch immer kündigen, sofern nachvollziehbare Grund bestehen.  Ist das KSchG anwendbar darf der Arbeitgeber nur aus den gesetzlichen Kündigungsgründen von § 1 Abs. 2 KSchG kündigen. Bei einer betriebsbedingte Kündigung muss er  u.a. eine korrekte Sozialauswahl unter den vergleichbaren Arbeitnehmern vorgenommen haben. In der Praxis ist diese Hürde sehr hoch, da der AG hier gesetzlich vorgegebene Kriterien beachten muss.
  • Besteht ein besonderer Kündigungsschutz? Zu den besonders geschützten Personen zählen u.a. Schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte Personen, Betriebsratsmitglieder, Schwangere, Frauen während der Mutterschutzphase, Mütter und Väter in oder vor der Elternzeit. Diesen Personen darf nicht oder nur nach vorheriger Genehmigung der zuständigen Behörde gekündigt werden.
  • Liegt ein Betriebsübergang vor? Ist dies der Fall, muss Sie der Betriebserwerber grundsätzlich weiter beschäftigen.
  • Liegt eine Massenentlassung nach § 17 KSchG vor und wurde vor der Kündigung die Massenentlassung korrekt angezeigt?

 

Rechtsanwältin Katrin Groll vertritt seit 2004 Mandanten im Arbeitsrecht, bis hinauf zum Bundesarbeitsgericht. Weitere Informationen zum Arbeitsrecht finden Sie in diesen Beiträgen hier. Besonders beliebt ist die Checkliste für Aufhebungsverträge im Arbeitsrecht