Das Bankrecht ist oft für (böse) Überraschungen gut. Ein alltägliches Beispiel: Sie liefern an einen Kunden Ware. Damit die Bezahlung gesichert ist, lassen Sie sich eine Lastschriftermächtigung geben und ziehen den Betrag vom Konto des Kunden ein. Einige Monate später erfahren Sie, dass der Kunde Insolvenz angemeldet hat und denken sich: „Glück gehabt, meine Forderung ist ja durch den Lastschrifteinzug schon bezahlt.“ Umso größer dann die Überraschung beim Durchsehen Ihrer Kontoauszüge: Die Bank hat die Lastschrift storniert und das Geld wieder von Ihrem Konto abgebucht – und zwar Monate später. Laut Bundesgerichtshof ist das rechtens: Der Insolvenzverwalter darf nämlich alle Lastschriftabbuchungen zurückholen, die noch nicht genehmigt waren. Ohne jede Begründung und selbst wenn die Forderung völlig unstreitig besteht. Er muss dies sogar, will er als Insolvenzverwalter keine eigene Haftung riskieren.

Dieses Ergebnis erscheint auch vielen Juristen seltsam. Das BGH-Urteil ist deshalb in der juristischen Literatur scharf kritisiert worden. Um die Begründung des BGH zu verstehen zunächst ein Blick auf den Normalfall (also ohne Insolvenz): Auf der Suche nach einem kostengünstigen und praktikablen Instrument zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs entscheiden sich viele für den Lastschrift­einzug. Dieser ist aber für den Geldempfänger eine wackelige Angelegenheit. Die Abbuchung wird nämlich erst dann endgültig wirksam, wenn der Kunde dem Einzug nicht widerspricht. Für einen solchen Widerspruch hat der Kunde nach den AGBs der Banken meist sechs Wochen Zeit (ab Zustellung des Konto-Quartalsabschlusses). Ist die Forderung berechtigt, so wird der Kunde im Normalfall nicht widersprechen, da er durch einen grundlosen Storno gegen die Lastschriftvereinbarung mit dem Lieferanten verstößt und sich diesem gegenüber schadensersatzpflichtig macht.

Ein Insolvenzverwalter denkt aber anders: Er will möglichst viel Geld wieder zum (insolventen) Schuldner zurückholen, um dadurch die Insolvenzmasse zu erhöhen. Die Insolvenzordnung (InsO) ermöglicht es ihm, Transaktionen aus den letzten Monaten vor Insolvenzeröffnung unter bestimmten Umständen anzufechten. Allerdings sollte man meinen, dass dies nicht für den hier geschilderten Fall gilt. Denn laut § 142 InsO sind bereits abgewickelte Geschäfte nur anfechtbar, wenn der (insolvente) Kunde die übrigen Gläubiger vorsätzlich benachteiligen wollte und der Empfänger dies wusste. So war es hier nicht. Trotzdem kann der Insolvenzverwalter das Geld zurückholen, denn er ist auf die Anfechtungsnormen der InsO gar nicht angewiesen. Laut BGH ist ein Lastschrifteinzug bis zur Genehmigung völlig unverbindlich, stellt also gerade (noch) keine wirksame Zahlung dar. Die Tatsache, dass der Lieferant das Geld schon auf seinem Konto hat, schützt ihn somit überhaupt nicht. Rechtlich gesehen steht er nicht besser, als wenn er nur eine Rechnung gestellt hätte und noch auf die Überweisung warten würde. „Bezahlt“ ist rechtlich gesehen erst, wenn der Kunde die Abbuchung genehmigt hat. Ab Insolvenzantrag kann der Kunde aber nicht mehr genehmigen. Der Insolvenzverwalter wird es ebenfalls nicht tun; laut BGH ist er ja sogar verpflichtet, der Abbuchung ausdrücklich zu widersprechen.

Folge des Stornos ist, dass die Gutschrift durch die Bank zurückgeholt wird und der Zahlungsanspruch zu einer nachrangigen Insolvenzforderung wird. Hat der Unternehmer „Glück“, so erhält er nach Abschluss des Insolvenzverfahrens (also Monate oder Jahre später) zumindest eine kleine Quote seiner Forderung. Oft geht er aber auch völlig leer aus.

Was also tun? Bei einer normalen Überweisung besteht kein Stornorisiko, hier ist der Insolvenzverwalter (wegen § 142 InsO) machtlos. Dann ist man aber wiederum darauf angewiesen, dass der Kunde auch tatsächlich überweist. Eine weitere Alternative ist das sog. Lastschriftabbuchungs­verfahren, das nicht mit dem Lastschrifteinzugsverfahren zu verwechseln ist. Hier beauftragt der Kunde seine Bank, einzelne oder alle Abbuchungen des Lieferanten auszuführen. Weil die Einwilligung zur Abbuchung bereits im Voraus erteilt wird, bedarf es nach der Abbuchung keiner weiteren Genehmigung mehr. Eine solche Lastschriftabbuchung kann der Kunde (bzw. der Insolvenzverwalter) daher ebenso wenig widerrufen, wie eine Überweisung.

Wer trotzdem den „normalen“ Lastschrifteinzug verwenden möchte, sollte sich – jedenfalls bei größeren Beträgen – vom Kunden nach Durchführung der Abbuchung kurz bestätigen lassen (z.B. durch e-Mail oder Fax), dass der Lastschrifteinzug in Ordnung war. Daran ist dann auch der Insolvenzverwalter gebunden.

Zur Vertiefung: Aufsatz in NJW 2009, S. 473