Elektronisches Mahnverfahren für 598 Euro! Oder doch lieber für 55 Cent?

„Ab 1.12.2008 können Mahnbescheide von Anwälten nur noch in maschinell lesbarer Form gestelt werden.“ Diese Neufassung des § 690 Abs. 3 S. 2 ZPO war der Startschuss für eine Werbe-Lawine. Täglich flattern Prospekte zu Hardware (Signaturkarte und Lesegerät), Software und den unvermeidlichen Schulungen in die Kanzlei. So wird dem (verunsicherten) Anwalt das Gesamt-Signaturpaket inkl. Kartenlesegerät USB, Signatursoftware, Vor-Ort-Identifikation des Antragsstellers u.a.m. zum Aktionspreis von schlanken 598 Euro netto angedient, natürlich zzgl. laufender Kosten für die Zertifikationsbereitstellung und spätere Software Updates. Ach ja, und dann braucht man selbstredend eine eigene Signaturkarte für jeden Rechtsanwalt der Kanzlei. Ist aber nicht tragisch, kostet ja nur nur 150 Euro netto pro Anwaltsnase. Um optimal vorbereitet zu sein, muss man dann vor Einführung des EDA (Elektronischer Datenaustausch) natürlich noch an einer Schulung teilnehmen. Wer sich jetzt sofort anmeldet, zahlt beispielsweise für 2 Tage (10 Std.) nur reduzierte 158 Euro. Also schnell zugreifen und anmelden, nächsten Monat kostet das Seminar die regulären 222 Euro.

Aber braucht man das alles wirklich?

Geht es nicht auch anders? Eventuell sogar ohne irgendwelche Hard- und Softwareausgaben? Viele Anwälte werden sich – eventuell unter mißmutigem Grummeln – bereits dem (vermeintlichen) Diktat der Moderne gebeugt haben: Hard- und Software sind bestellt, Schulung ist gebucht, Sekretariat ist genervt vom neuesten „EDV-Schmarrn“. Die Wahrheit ist: Kleine und mittlere Kanzleien brauchen all das gar nicht. Wenn man durchschnittlich nicht mehr als 8 bis 10 Mahnanträge pro Tag stellt, lohnt sich die Anschaffung nicht.

Was die kommerziellen Anbieter nämlich verschweigen: Die zentralen Mahngerichte stellen eine Online-Plattform zur Verfügung, auf der man auch nach dem 1.12.2008 weiterhin Mahnanträge stellen kann – per sog. Bar-Code-Antrag. Ohne jede technische Zusatzausstattung: Ein Internet-Zugang genügt.

Die Website der zentralen Mahngerichte heißt: www.online-mahnantrag.de. Zugegeben: Zwar versprüht die Optik des Portals den spröden Charme einer Abschlussarbeit im VHS-Kurs „html für Anfänger“, aber es funktioniert: Das Online-Formular erfüllt den selben Zweck wie die vielbeworbenen Geräte mit Spezialsoftware (die natürlich in die sonstige Kanzleisoftware erst integriert werden muss). Einziger Nachteil: Das online ausgefüllte Formular (das auf der letzten Seite einen Barcode aufweist), muss ausgedruckt, unterschrieben und – wie bisher – per Post übermittelt werden, statt über die EDA. Es entsteht also Papier und Portokosten von 90 Cent (die aber natürlich an den Mandanten weiterberechnet werden). Schulungen entfallen, da das Online-Formular selbsterklärend ist.

Für Anwälte geht es sogar noch komfortabler: Sie können sich mit einem kurzen, formlosen Schreiben beim Zentralen Mahngericht für diese Seite registrieren zu lassen (Kosten: 55 Cent für die Briefmarke) und erhalten dann eine Identifikationsnummer. Loggt man sich künftig mit dieser ID-Nummer ein, sind die Kanzlei-Daten (Adresse, Bankdetails etc.) bereits automatisch eingetragen.

Es stellt sich also die Frage: Lohnen sich die alles in allem knapp 1.000 Euro (zzgl. Wartungskosten) für die Software wirklich? Tipp: Jedenfalls keine Panikbestellungen, weil man sonst angeblich ab 1.12. keine Mahnanträge mehr einreichen kann. Das ist Unsinn. Besser erst einmal – ohne irgendwelche Zusatzkosten – das Online-Mahnverfahren testen. Man kann später ja immer noch auf das vollautomatische EDA-Verfahren umstellen.