Ein seltenes Ereignis steht an: Die Politik hat eine Gesetzesreform beschlossen – und (fast) alle sind begeistert. Die GmbH – angekündigt für 1.11.2008 – wird schlanker, schneller und billiger. Existenzgründer starten mit einem Euro Startkapital ohne Haftungsrisiko in die Selbständigkeit. Wirklich nur Vorteile?

Zwischen 2003 und 2006 schossen ausländische Gesellschaftsformen, insbesondere die englische Limited, wie Pilze aus dem Boden. Grund war die EuGH-Rechtsprechung (Überseering u.a.). Damit ist nun Schluss. Die deutsche GmbH geht zum Gegenangriff über und will sich als die bessere Rechtsform präsentieren. Unternehmer, die sich bisher vom Mindestkapital 25.000 Euro abschrecken ließen, können künftig (zumindest theoretisch) ihre Geschäftstätigkeit ohne privates Haftungsrisiko fortführen. Als Startkapital genügt ein Euro. Notargebühren sind minimal, wenn man die gesetzliche Mustersatzung verwendet. Hier die Eckpunkte der am 26.06.2008 vom Bundestag beschlossenen GmbH-Reform (die Zustimmung des Bundesrates steht aus, gilt aber als sicher; hier die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs als PDF-Download: MoMiG_Entwurf_mit_Begründung_vom 23Mai2007).

Aber erst ein Schritt zurück: Warum überhaupt GmbH oder andere Kapitalgesellschaft?

Ein Unternehmer will möglichst nicht mit seinem Privatvermögen für geschäftliche Risiken haften. Ein absolut legitimes Interesse, da unternehmerische Tätigkeit immer mit einem schwer abschätzbaren Risiko verbunden ist. Um diese Haftungsbeschränkung zu erreichen, bietet die deutsche Rechtsordnung zwei Alternativen: GmbH und Aktiengesellschaft. Dazu muss der Existenzgründer aber bislang ein Mindestkapital von 25.000 Euro (GmbH) bzw. 50.000 Euro (AG) zur Verfügung haben – für Viele eine unüberwindbare Hürde. Ein Jungunternehmer mit guter Geschäftsidee aber fehlenden 25.000 Euro hatte somit bisher nur folgende Optionen: die selbstständige Tätigkeit bleiben lassen, eine volle Haftung mit seinem gesamten Privatvermögen riskieren oder eine windige ausländische Limited gründen, deren Regeln er nicht kennt und mit der Geschäftspartner und Banken oft nichts zu tun haben wollen.

Anders ab November 2008: Die Bundesregierung hat eine groß angelegte GmbH-Reform verabschiedet, die im ersten Halbjahr 2008 in Kraft treten soll. Sie befreit die deutsche GmbH von überholten Regeln. Zwar wird das Mindestkapital für die „reguläre“ GmbH nun doch nicht auf 10.000 Euro gesenkt (der Rechtsausschuss kippte das), aber die Kosten der notariellen Beurkundung des GmbH-Vertrags sinken von ca. 900 Euro auf etwa 100 Euro, wenn der Unternehmer die gesetzliche Mustersatzung verwendet. Auch die Anmeldung zum Handelsregister geht bald schneller und einfacher. Hier hat die Politik von den Engländern gelernt und bietet ein Gründungsset von Musterformularen an. Da das Registergericht auch nicht mehr prüfen wird, ob verwaltungsrechtliche Genehmigungen vorhanden sind (etwa eine Gewerbeerlaubnis für Gaststättenbetreiber), steht die GmbH künftig nach wenigen Tagen im Handelsregister. Bis dato dauert das oft viele Wochen. Da die GmbH rechtlich erst ab Eintragung existiert und vorher keine Verpflichtungen eingehen darf, führte diese lange Eintragungsdauer dazu, dass vielen Unternehmern Geschäftschancen entgingen.

1-Euro-GmbH

Noch revolutionärer ist die neue „Mini-GmbH“: Ein Einstiegsmodell für diejenigen Unternehmer, die das Mindestkapital von 25.000 Euro nicht sofort aufbringen können. Hier genügt bereits ein Startkapital von einem Euro. Inhaltlich gelten auch für die Mini-Variante alle Bestimmungen des GmbH-Rechts. Es handelt sich also nicht um eine zusätzliche Rechtsform (neben GmbH und AG), sondern um eine echte GmbH. Sie muss sich nur anders nennen, um die Geschäftspartner klar darauf hinzuweisen, dass bei ihr (noch) kein Haftungskapital von 25.000 Euro vorhanden ist, nämlich: „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“. Etwas sperrig. Mal sehen, wie diese Rechtsform vom Markt angenommen. Die Unternehmergesellschaft (abgekürzt UG) ist verpflichtet, jedes Jahr ein Viertel ihres Gewinns als Rücklage auf die hohe Kante zu legen, so dass nach und nach doch ein Haftkapital entsteht. Hat die UG nach einigen Jahren 25.000 Euro beisammen, kann sie umfirmieren und darf sich ab dann GmbH nennen. Eine gute Lösung, um Jungunternehmern den schnellen Start zu ermöglichen, ohne gleich mit Haut und Haar persönlich zu haften. Allerdings sollte man nicht naiv sein: Kein Unternehmen kommt völlig ohne Kapital aus und auch Existenzgründer brauchen eine solide finanzielle Startbasis. Die Reform bringt zahlreiche weitere Änderungen, insbesondere auch zum Schutz vor Verschleierungen bei „kranken“ GmbHs. Aber ist die Haftung den wirklich auf einen einzigen Euro beschränkt?

GmbH-Geschäftsführer haften künftig strenger

Die Reform ändert auch die Haftungsregeln der GmbH: Geschäftsführer haften in Zukunft deutlich strenger mit ihrem Privatvermögen, zum Beispiel wenn sie für die GmbH nachteilige Geschäfte abschließen. Besonders gefährlich ist es künftig, wenn die von ihnen geleitete GmbH insolvent wird. Mancher GmbH-Geschäftsführer ist hier etwas blauäugig. Viele glauben, wer sein Unternehmen in der Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung betreibt, hat für sein Privatvermögen nichts zu befürchten. Schließlich ist dies ja gerade der Zweck der GmbH-Gründung. In der Praxis stellt sich das oft als Irrtum heraus: Bereits nach jetziger Rechtslage gibt es etliche Fälle, in denen sowohl die Geschäftsführer, als auch die Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen haften müssen (sog. Haftungsdurchgriff). Die GmbH-Reform führt im Ergebnis dazu, dass diese Gefahr für Gesellschafter künftig etwas geringer wird, dafür aber die Geschäftsführer umso strenger haften. Für Ein-Personen-GmbHs (bei denen nur ein Gesellschafter existiert, der auch selbst die Geschäfte führt) ist diese Unterscheidung ohnehin irrelevant: Hier greift immer die strenge Geschäftsführerhaftung. Dies bedeutet im Ergebnis, dass das Schutzschild der Haftungsbeschränkung auf das Firmenvermögen im Krisenfall oft gerade nicht hält.

Man versteht die gesetzlichen Haftungsregeln besser, wenn man sich zunächst folgendes klar macht: Die Rechtsordnung sieht als Grundsatz vor, dass jeder für die von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten mit seinem gesamten Vermögen einsteht. Die volle und unbeschränkte Haftung ist also der Regelfall – auch für Unternehmer. Noch vor wenigen Jahrzehnten war es für einen „ehrbaren Kaufmann“ verpönt, für seine Geschäfte nicht persönlich einzustehen. Die 100 Jahre alte GmbH hatte bei ihrer Einführung einen schlechten Ruf, ähnlich der heutigen Limited. Dies hat sich bekanntlich gewandelt. Aus gutem Grund: Müsste ein Unternehmer nämlich stets mit seinem gesamten Privatvermögen haften, so hätte dies zur Folge, dass manche Geschäftsidee schlicht nicht verfolgt würde – aus Angst des Unternehmers, seine private Existenz zu ruinieren. Das wäre aber volkswirtschaftlich nachteilig: Viele Innovationen kämen nie auf den Markt. Fast jede Rechtsordnung stellt daher Unternehmensformen zur Verfügung, bei denen die Haftung auf das Firmenvermögen beschränkt ist: England die Limited, USA die Corporation, Deutschland die GmbH und die AG. Diese Haftungsbeschränkung ist somit ein Privileg, das die Rechtsordnung gewährt – eine Ausnahme vom Prinzip der vollen persönlichen Haftung.

Dieses Privileg muss man sich aber verdienen, und zwar durch Einhaltung bestimmter Spielregeln. In Deutschland waren dies bislang vor allem zwei Aspekte: Der Kapitalstock (bei der GmbH 25.000) muss vollständig erbracht und während der Lebensdauer der Gesellschaft möglichst erhalten bleiben. Zweitens muss die Geschäftsführung bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit sofort Insolvenzantrag stellen. Diese Spielregeln werden durch die GmbH-Reform 2007/2008 nun massiv verändert. Man passt sich mehr dem englischen Haftungssystem an. Dort ist der Haftungsstock nicht so wichtig (es reicht zur Gründung ja bereits ein Kapital von einem Pfund), dafür ist der Geschäftsführer stärker in der Pflicht. Bislang muss der Geschäftsführer einer deutschen GmbH nur überwachen, ob seine GmbH überschuldet ist oder zahlungsunfähig wurde. Stellt er dies fest, so hat er maximal drei Wochen Zeit, die Krise abzuwenden. Gelingt ihm das nicht, muss er Insolvenzantrag stellen (sonst haftet er privat und macht sich zudem wegen Insolvenzverschleppung strafbar). Dies genügt bald nicht mehr, seine Haftung wird vorverlagert: Künftig muss er schon bei jedem Geschäftsabschluss prüfen, ob durch dieses Geschäft eine Insolvenz herbeigeführt werden könnte (sog. Solvency Test). Er muss also die Gläubiger aktiv schützen. Dies ist nur ein Beispiel für zahlreiche Auswirkungen der GmbH-Reform auf die Tätigkeit von Geschäftsführern. Auch für existierende GmbH ist die Reform daher praxisrelevant. Jeder Geschäftsführer sollte die neuen Haftungsnormen kennen.

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Der Autor hält regelmäßig Vorträge zu GmbH, Limited sowie anderen (auch ausländischen) Rechtsformen, zur GmbH-Reform sowie zur neuen „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“; aktuell etwa für die Handwerkskammern Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz:

Einladung Vortrag „Neue GmbH und Limited“ (1): Vortrag Gmbh-Reform (PDF 1)

Einladung Vortrag „Neue GmbH und Limited“ (2): Vortrag Gmbh-Reform (PDF 2)

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Weitere Informationen zur GmbH-Reform:

Vortragsfolien „Neue GmbH oder Limited – welche Rechtsform passt für mein Unternehmen?“ Vortrag Handwerkskammer Bayern September 2008

Beitrag „Finger weg von Limited“

Übersicht ausländische Gesellschaftsformen (PDF)