HARMLOSER SATZ IN OMAS TESTAMENT HAT ALPTRAUM-KONSEQUENZEN FÜR ENKEL
Oma und Opa wollten ihren zwei Enkelkindern Cora und Paul etwas Gutes tun. Also formulierten sie ihr eigenhändiges Ehegattentestament wie folgt:
„… Erbe des Zweitversterbenden von uns ist unser Sohn Frank. Hinsichtlich unseres Hauses ist Frank aber nur Vorerbe. Nacherben sind seine leiblichen Kinder (Cora und Paul)…“
Dann stirbt Opa, einige Jahre später Oma. Das Nachlassgericht (NLG) erteilt auf Antrag von Frank einen Erbschein mit Nacherbenvermerk. Dieser wird auch ins Grundbuch eingetragen. Allerdings mit einer kleinen Ergänzung, die damals niemandem auffällt, nämlich:
„… Nacherben sind die leiblichen Kinder des Erben, DERZEIT Cora und Paul…“
Fällt keinem auf. Zeigt aber bereit, dass ein Gewitter am Himmel droht.
Das „derzeit“ zeigt nämlich, dass das Nachlassgericht das Testament so auslegt, dass der Passus „leibliche Kinder“ allgemein auszulegen ist, also inklusive etwaiger unbekannter Urlaubszeugungen oder von Frank noch zu zeugenden Spätkindern. Anders formuliert: Dass die Nennung der beiden Namen in der Klammer irrelevant ist.
Zehn Jahre nach Omas Tod will Frank (jetzt 67 Jahre) die Immobilie verkaufen. Ironischerweise, um das Geld Cora und Paul (je Mitte 30) zu schenken, weil die mittlerweile selbst Familie haben und eigene Häuser kaufen wollen. Der Notar beurkundet Verkauf. Die Nacherben stimmen dem Verkauf zu. Niemand ahnt, dass gleich die Bombe platzt.
Denn der Rechtspfleger am Grundbuchamt sagt: „Moment mal, wer sagt mir denn, dass es nicht noch weitere leibliche Abkömmlinge gibt oder irgendwann geben wird?“
Alle drei Mandanten (Sohn und beide Enkel) kommen zu mir. Sie wollen ja alle das selbe und sind davon überzeugt, dass Oma und Opa natürlich nur die beiden Enkel Cora und Paul gemeint haben. Wen denn auch sonst?
Ich argumentiere in Schriftsätzen ans Gericht:
„Wenn Oma und Opa das so gewollt hätten, dann wäre der Klammerzusatz Cora und Paul ja völlig überflüssig und sinnlos. Und es spricht ja wohl alles dafür, dass Oma und Opa die beiden Enkel begünstigen wollten, die sie kannten und liebten, nicht irgendwelche hypothtische, unbekannte Urlaubsunfallkinder. Solche „Unfallkinder“ hätten die konservativen, streng katholischen Großeltern nicht gut geheißen.“
Rechtspfleger bleibt stur. Der Passus „leibliche KInder“ ist wichtiger als die Nennung der konkreten Namen in der Klammer. Begründung: keine! Ist halt die Auffassung des Rechtspflegers. Auch die Beschwerdeinstanz bleibt stur.
Wechsel des Gerichts: Wenn wir beim Grundbuchamt nicht weiter kommen, dann halt zurück zum Nachlassgericht selbst. Ich beantrage Änderung des Erbscheins, da das Testament damals falsch ausgelegt wurde. Leider kein Glück, denn auch DIESER Rechtspfleger bleibt stur („keine Mängel ersichtlich“). Psychologisch nachvollziehbar: Der Rechtspfleger müsste ja eingestehen, dass die damalige Interpretation des Testamentswortlauts falsch war. Beschwerdeinstanz hält zum Rechtspfleger.
Wir versuchen dann noch weitere drei Jahre lang so das eine oder andere (Bestellung eines Pflegers für unbekannte Nacherben; Austausch der Immobilie als Nacherbschaftsobjekt; notarielle Haftungsgarantie von Frank, Cora und Paul, falls tatsächlich ein unbekannter weiterer Nacherbe aus dem Gebüsch kriecht usw.).
Alles scheitert am Gericht, das sich auf die (lebensfremde) Interpretation des Testaments festgelegt hat.
FAZIT: Die Immobilie von Oma und Opa ist unverkäuflich bis Frank stirbt. Frank muss in der Bude entweder selbst wohnen oder sie vermieten. Er kann sie jedenfalls zu seinen Lebzeiten nicht verkaufen, weil der Käufer nicht als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen werden kann. Dieses Ergebnis ist EXAKT das Gegenteil von dem, was Oma und Opa wollten, nämlich die Enkel Cora und Paul finanziell abzusichern.
Perverser Wertungswiderspruch: Sobald Frank irgendwann stirbt und Cora / Paul dann den Erbschein beantragen, dann frägt am Nachlassgericht keine – excuse me – Sau danach, ob Frank denn nicht vielleicht auf Mallorca oder in Australien noch ein bislang unbekanntes Kind haben könnte, das sich halt nur noch nicht gemeldet hat. Ist ja auch logisch: Mit der Argumentation könnte man ja (jedenfalls bei männlichen Erblassern) nie einen Erbschein erteilen. Es könnte ja immer noch irgendwo ein Junior rumlaufen.
Nö, beim Tod von Franl wird der Erbschein einfach erteilt. No questions asked.
Manchmal hat man als Anwalt ein echtes Problem, seinen Mandanten „das Recht“ zu erklären.
Die Rechtsanwälte Katrin Groll und Bernhard Schmeilzl in Regensburg sind juristische Profis mit jeweils gut 20 Jahren Berufserfahrung auf den Gebieten Erbrecht, Pflichtteilsanspruch, Testament und Erbschaftsteuer.
Informationen zu Testamentsgestaltung und Erbrecht hier:
– Gratis Info-Broschüre zu Testament und Erbschaftssteuer– Wie geht ein Berliner Testament (Mustertext) – Nachteile des Berliner Testaments – Enterbt ist halb so schlimm: So macht man den Pflichtteil geltend (Muster-Anspruchsschreiben)
Video: Wie gestaltet man einen Berliner Ehegattentestament?

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