Testamentsvollstrecker sitzen auf dem Pulverfass

„Ich mache das wegen unserer lebenslangen Freundschaft!“ oder „Das Amt habe ich meinem Verwandten zuliebe angenommen“. So antworten unsere Mandanten meist – recht naiv – auf die Frage, warum sie das Amt des Testamentsvollstreckers denn überhaupt angenommen haben, noch dazu meist ohne Vergütung, nachdem sie vom Erben auf Schadensersatz verklagt wurden.

Was den meisten Amateur-Testamentsvollstreckern nämlich nicht bewusst ist: Das Amt kann ganz schnell eine Haftungsfalle werden, wenn man die umfangreichen Pflichten eines Testamentsvollstreckers unterschätzt oder schlichtweg nicht kennt. Denn der Testamentsvollstrecker haftet den Erben sehr schnell persönlich – also aus seinem eigenen Vermögen – auf Schadensersatz, wenn er die Pflichten eines Testamentsvollstreckers verletzt. Und das geht ruck zuck, denn die von Gesetz und Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen sind extrem hoch.

Ein konkretes Fallbeispiel unserer Kanzlei

Hans Hansen, 42 Jahre, geschieden, ein 13-jähriger Sohn, Wohnsitz in Frankfurt, verunglückt am 14. Dezember 2021 bei einem Autounfall auf der A3 bei Frankfurt. In seinem Testament hat er seinen Sohn zum Alleinerben eingesetzt und seinen Bruder Christoph Hansen zum Testamentsvolltrecker benannt, weil er sich mit seiner Exfrau nicht so gut verstand und vermeiden wollte, dass die Ex-Frau (die ja gleichzeitig Erziehungsberechtigte des Sohnes ist) Vermögen aus dem Erbe für sich verwendet.

Wo ist das Problem?

Nun, der Bruder des Verstorbenen wohnt in München. Er erfuhr vom Tod seines Bruders an einem Dienstag, 14.12.2021. Die Wohnung des Verstorbenen war in Frankfurt. Aus beruflichen Gründen konnte er „erst“ am Samstag, den 18.12.2021 nach Frankfurt reisen.

Nun behauptet die Ex-Frau und gesetzliche Vertreterin des 13-jährigen Alleinerben, dass Geld und Wertsachenaus der Frankfurter Wohnung des Verstorbenen verschwunden seien, darunter Rolex-Uhren, iPads usw. im Wert von mehr als 30.000 Euro. Dies sei ein Schaden des Erben, den der Testamentsvollstrecker ersetzen müsse.

Wofür haftet ein Testamentsvollstrecker?

Absurd? Leider nicht, denn die Sorgfaltsanforderungen an einen Testamentsvollstrecker sind sehr hoch. Dass ein TV dies in der Regel nicht weiß, ist für die Haftung (§ 2219 BGB) irrelevant. Der Testamentsvollstrecker macht sich auch dann schadensersatzpflichtig, wenn er nur fahrlässig handelt.

Hier einige weitere Beispiele für die hohen Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Testamentsvollstreckers:

  • der Testamentsvollstrecker haftet für Fehler bei der Erbschaftsteuererklärung,
  • letztwillige Verfügungen (z.B. Testament) muss der Testamentsvollstrecker auf Gültigkeit prüfen, erkennbar unwirksame Vermächtnisse darf er nicht erfüllen,
  • Nachlassgegenstände muss er möglichst günstig und sicher anlegen oder bestmöglich verwerten,
  • größere Geldbeträge darf der Testamentsvollstrecker nicht unverzinst auf einem Girokonto lassen (dies gilt zumindest in Phasen, in denen – anders als derzeit – Zinsen gezahlt werden),
  • „lohnende“ Aktienbezugsrechte muss er ausüben,
  • Versicherungen und Verträge muss er frühzeitig kündigen oder abschließen,
  • befindet sich im Nachlass eine Immobilie, muss er diese ordnungsgemäß und gewinnbringend verwalten (z.B. auch Mieterhöhungen verlangen und ggfl. gerichtlich durchsetzen),
  • bei grenzüberschreitenden Nachlässen muss er u.a. das ausländische Steuerrecht beachten.

Im Ergebnis muss der Testamentsvollstrecker daher Rechtsanwalt, Steuerberater, Banker, Wohnungsverwalter in einer Person sein. Er darf sich zwar fachkundige Unterstützung (z.B. durch einen Steuerberater oder Rechtsanwalt) holen. Aber auch dies mit dem Risiko, dass er wegen Verursachung unnötiger Kosten in Anspruch genommen wird.

„OK, dann befreie ich den Testamentsvollstrecker eben von Schadensersatzansprüchen“

Mandanten, die ein Testament mit Testamentsvollstrecker-Anordnung erstellen wollen, stellen uns daher regelmäßig die Frage, wie sie den Testamentsvollstrecker schützen können. Insbesondere, ob sie diesen durch eine Regelung im Testament von seiner Haftung befreien können, etwa mit einer Formulierung wie „Der TV ist von jeder Haftung auf Schadensersatz befreit“ oder „Der TV haftet nur für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz.“ Gute Idee, einfach eine Haftungsprivilegierung ins Testament aufnehmen, fertig. Tja, geht aber leider nicht!

Denn §2220 BGB ordnet ausdrücklich und zwingend an, dass der Erblasser den Testamentsvollstrecker nicht von seinen Verpflichtungen befreien kann, selbst wenn er das will und selbst wenn der TV das Amt für Gotteslohn ausübt, also keinerlei Vergütung bekommt. Solche Haftungsausschluss- oder Haftungsbeschränkungsklauseln sind allesamt schlicht unwirksam.

Auch Versuchen, das Befreiungsverbot zu umgehen, hat die Rechtsprechung einen Riegel vorgeschoben. So ist beispielsweise auch ein sog. „Befreiungsvermächtnisses“ unzulässig, wonach dem Testamentsvollstrecker im Falle einer Haftung ein Vermächtnis auf Befreiung von der Schadensersatzforderung erhalten soll. Gerichte sehen das als unzulässige Umgehung von §2220 BGB. Begründet wird die strenge Haftung damit, dass „ein Erblasser den Erben nicht mit gebundenen Händen dem ausgedehnten Machtbereich des Testamentsvollstreckers ausgeliefert“ ist (so RGZ 133, 128, OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.07.2009 – 11 Wx 94/07). Anders formuliert: Ein Testamentsvollstrecker soll nicht auf Kosten des Erben schludern und Schäden verursachen dürfen. Nun ja, aber eine Haftungsbeschränkung auf Fälle von grober Fahrlässigkeit und Vorsatz hätte man aus meiner Sicht schon zulassen können, vor allem bei unentgeltlicher Tätigkeit. Es geht ja um die Erbmasse des Testamentserstellers. Aber die Rechtsprechung ist, wie sie ist.

Fazit

Bei der Entscheidung, ob man einen Testamentsvollstrecker einsetzt und, falls ja, bei der Wahl des Testamentsvollstreckers sollten Testierende diese Haftungsproblematik im Blick haben. Auch wenn der Wusch verständlich ist, eine nahestehende Person mit der Abwicklung des Erbes zu betrauen, kann es sinnvoller sein einen „Profi“ einzusetzen (also etwa einen Betriebswirt, Juristen oder Steuerberater). In jedem Fall sollte man den Testamentsvollstrecker über die strenge Haftung aufklären, damit er oder sie weiß, worauf er oder sie sich einlässt. Für den Verpflichteten kann dieses Amt sonst schnell zur persönlichen Belastung und schlimmstenfalls zum finanziellen Albtraum werden.

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