Verfolgt man die Mietrechtsprechung (hier) der vergangenen Jahre, drängt sich eine Vermutung auf: BGH-Richter wohnen wohl zur Miete. Anders lässt sich die jüngste Entscheidung des BGH (Beschluss v. 14.08.2008 – I ZB 39/08) schwer verstehen.

Bekanntlich ist es ohnehin teuer und langwierig, ein Räumungsurteil gegen einen nicht zahlenden Mieter zu erlangen (Details hier; ein Musterkündigungsschreiben wegen Mietrückständen hier). Hat der Vermieter nach etlichen Monaten sein Urteil in der Hand, beauftragt er einen Gerichtsvollzieher. Wieder dauert es Wochen, bis zum Räumungstermin. Aber wenigstens kann jetzt ja nichts mehr passieren. Von wegen!

Im Urteil steht nämlich nur: Herr X (der säumige Mieter) hat die Wohnung zu räumen. Und laut Zivilprozessordnung (§ 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO) darf das Urteil nur gegen die Personen vollstreckt werden, die darin ausdrücklich genannt sind. Was also, wenn Herr X kurz vor dem Räumungstermin die Wohnung an Herrn Y untervermietet? Allein zu dem Zweck, die Zwangsräumung zu torpedieren. Die Idee des Mietbetrügers: Der Gerichtsvollzieher geht dann erst mal wieder nach Hause und der Vermieter muss das Urteil umschreiben lassen, vielleicht sogar einen neuen Prozess führen. Der Mietbetrüger hätte wieder einige Monate gewonnen, vor allem dann, wenn er mit dem (angeblichen) Untervermieter gemeinsame Sache macht. Der Schaden des Vermieters würde sich um weitere mehrere tausend Euro erhöhen.

Kommt ein Mietbetrüger damit tatsächlich durch? Bisher nicht, künftig schon. Genau diesen Fall hatte nämlich der BGH im August 2008 zu entscheiden: Kann das Räumungsurteil auch dann vollstreckt werden, wenn der Mieter – plötzlich und offensichtlich allein zu dem Zweck einen angeblichen Untermieter vorschiebt? Bislang ließen die Gerichte eine Zwangsräumung gegen Untermieter zu, wenn die Untervermietung „offensichtlich rechtsmissbräuchlich“ war. Mit der neuen BGH-Entscheidung (Download) wird diese Rechtspraxis aufgehoben. In seiner Entscheidung beharrt der BGH ganz prinzipientreu darauf, dass „gegen andere als im Titel bezeichneten Personen nicht vollstreckt werden darf – das selbst dann, wenn zweifelsfrei feststeht, dass diese nach materiellem Recht zur Herausgabe der Mietsache verpflichtet sind.“ Der BGH akzeptiert keine Ausnahme, auch nicht wenn eindeutiger Missbrauch durch den Mieter erkennbar ist.

Der Gerichtsvollzieher muss also in solchen Fällen tatsächlich die Räumungsvollstreckung abbrechen. Will der Vermieter weiter vollstrecken, muss er ein weiteres Mal vor Gericht ziehen. Nun gegen den neuen Untermieter Herrn Y. Beauftragt der Vermieter dann (mit dem zweiten Urteil) erneut den Gerichtsvollzieher kann es ihm passieren, dass beim zweiten Räumungstermin nun der nächste Untermieter, Herr Z, die Tür öffnet. Und alles beginnt von vorn. Dieses Katz- und Maus-Spiel geht oft so lange, bis der Vermieter entweder kein Geld mehr hat oder resigniert über das deutsche Rechtssystem aufgibt.

Dieses Szenario wird nun leider wieder öfter Realität werden, denn Mietbetrüger kennen die mieterfreundlichen BGH-Urteile sehr bald sehr genau. Für Gerechtigkeitserwägungen sei trotzdem kein Raum, so die Richter. Für die Wohnungseigentümer, die bei dieser sturen Anwendung von Rechtsprinzipien pleite gehen, weil sie den Bankkredit nicht mehr zahlen können, hat der BGH nur ein Achselzucken. Übrigens: Auch der Gesetzgeber hat kein Mitleid. Nach Auskunft der Eigentümerschutzgemeinschaft Haus & Grund sieht die Bundesregierung derzeit keinen Handlungsbedarf für eine Gesetzesänderung, obwohl ihr „die für den einzelnen Vermieter unter Umständen erheblichen Belastungen“ bewusst sei. Es drängt sich ein weiterer Verdacht auf: Auch die Mitglieder der Bundesregierung sind überwiegend wohl eher keine Vermieter.