Bankenwahlrecht kontra Verbraucherschutz

Der Bauträgervertrag ist, wie der Bundesgerichtshof festgestellt hat (Urteil vom 22.7.2010 – III ZR 293/09, BGHZ 186, 395) für den Verbraucher ein risikobehafteter Vertrag. Grund ist, dass er eine fertige Wohnung oder ein bezugsfertiges Haus erwerben möchte, aber regelmäßig bereits vorher Baufortschrittsraten an den Bauträger zu entrichten hat. Der Bauträgervertrag ist deshalb im Kern eigentlich ein Finanzierungsmodell, bei dem der Erwerber die Finanzierung des Bauträgers übernimmt. Die Bauträgerbank muss immer nur kurzzeitig die entsprechende Rate bis zur Erreichung des jeweiligen Bautenstandes vorfinanzieren. Damit können auch weniger finanzkräftige Bauträger auf dem Markt tätig sein. Das eigene Finanzierungsrisiko der Bauträgerbank reduziert sich dadurch erheblich.

Nachdem im Zusammenhang mit Bauträgerpleiten aufgrund der damals in privatschriftlichen Verträgen vereinbarten ungesicherten Kaufpreiszahlungen zahlreiche Erwerber ihre gesamten Ersparnisse verloren, hat die Politik eine Sicherung in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts im Gewerberecht versucht. Die so genannte Makler- und Bauträgerverordnung sieht eine Zahlung in sieben Baufortschrittsraten vor, wobei vorher der Eigentumserwerb des Käufers im Grundbuch gesichert sein muss. Die Fertigstellung des Objektes wird lediglich durch einen 5 %-Einbehalt, den es allerdings erst seit 1. Januar 2009 gibt, gewährleistet. Dass dieser geringe Betrag nicht ausreicht, muss nicht näher erläutert werden. Das Fertigstellungsrisiko beim Bauträgervertrag trägt allein der Erwerber. Bleibt das Objekt stecken, muss er beim Geschosswohnungsbau gemeinsam mit den anderen Erwerbern, beim Einzelhaus allein mit eigenen Handwerkern fertig bauen. Wenigstens droht dem Erwerber, so meint er, kein Geldverlust.

Das Bankenwahlrecht und verbraucherschützende Notare

Der Kaufvertrag über die zu errichtende Immobilie wird zwischen dem Bauträger und dem Erwerber geschlossen. Allerdings hat die Bank des Bauträgers dabei ein gewichtiges Wort mitzureden. Sie ist zur Lastenfreistellung gegenüber dem Käufer verpflichtet. Sie muss ihre im Grundbuch eingetragene Grundschuld löschen, wenn sie dafür die jeweiligen Kaufpreisraten nach dem Baufortschritt erhält. Bleibt das Objekt stecken, weil der Bauträger in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt, kann der Erwerber vom Insolvenzverwalter die Übereignung des stecken gebliebenen Baus an sich verlangen. Allerdings sieht die MaBV an versteckter Stelle ein Bankenwahlrecht vor. Die Bauträgerbank, die ihrem Kunden keine weiteren Kredit gewährt und damit das Steckenbleiben des Bauvorhabens wesentlich mitverursacht hat, kann sich das Recht vorbehalten, dem Erwerber die von ihm geleisteten Zahlungen bis zum anteiligen Wert des Objektes zurückzuerstatten (§ 3 Abs. 1 Satz 3 MaBV). Hat der Bauträger, was bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Regel ist, mangelhaft gebaut, erhält der Käufer nicht sein Geld zurück, sondern lediglich einen anteiligen Prozentsatz entsprechend dem Wert des Bautenstandes. Der Verbraucher, der als Erwerber keine Möglichkeit hat, das gesamte Bauvorhaben vor Zahlung der jeweiligen Rate auf etwaige Baumängel zu kontrollieren, trägt das Risiko, dass der Bauträger unsolide baut. Die Bauträger-Hausbank muss somit das Finanzierungsrisiko nach der gewerberechtlichen Verordnung nicht tragen, sondern kann dies auf den Erwerber abwälzen. Sie kann allerdings auch auf diese zu ihren Gunsten gewerberechtlich vorgesehene Befugnis verzichten.

Notare, die auf das Risiko des Geldverlustes für den Verbraucher bei Beurkundung des Bauträgervertrages deutlich hinweisen, erreichen, dass der Käufer regelmäßig auf eine Streichung des Bankenwahlrechts besteht oder sogar vom Kauf beim Vorbehalt des Bankenwahlrechts Abstand nimmt. Deshalb raten Kreditinstitute, die Bauträger finanzieren, diesen vor der Beurkundung bei derart bereits unangenehm aufgefallenen Notaren ab. Die Hausnotare des Bauträgers thematisieren das Risiko des Verbrauchers an der entsprechenden Stelle im Vertrag nicht. Der vom Bauträger vermittelte Eindruck des Erwerbers, dass er sein Geld beim Steckenbleiben des Bauvorhabens in voller Höhe zurückerhält, soll schließlich nicht korrigiert werden.

Verstoß des Gewerberechts gegen Verbraucherschutz?

Das Bankenwahlrecht ist nur gewerberechtlich geregelt. Es kann jederzeit abbedungen werden. Manche Banken verzichten darauf. Viele Banken stehen aber auf dem Standpunkt, dass diese Wohltat des Verordnungsgebers schließlich ihr gutes Recht sei. Notare, die eine Änderung des Bauträgervertrages und der Freistellungsverpflichtung der Bank erreichen wollen, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass andere Kollegen diese Klausel problemlos vorlesen würden. Die Verbraucherschutzverbände haben das Problem bisher nicht erkannt und sind deshalb untätig geblieben. Die Notarkammern haben die Abschaffung des Bankenwahlrechts jedenfalls nicht als wichtiges Ziel verfolgt.

In der juristischen Literatur wird verstärkt die Ansicht vertreten, dass das Bankenwahlrecht überraschend und zudem unangemessen ist. Das Risiko des mangelhaften Baus gehört dort hin, wo es kontrollierbar ist, nämlich zur Bauträgerbank. Diese kann die Bauüberwachung beim Vorhaben ihres Kunden anordnen und so dafür sorgen, dass Abschlagszahlungen, die den von ihr dem Bauträger gewährten Kredit zurückführen, ohne Risiko bezahlt werden können. Und sie kann sich verpflichten, beim Steckenbleiben des Baus die erhaltenen Abschlagszahlungen zurückzuzahlen (BGH, Urt. v. 5.4.2001 – VII ZR 498/99, ZfIR 2001, 278). Ist sie hierzu nicht bereit, sollte der Verbraucher nach dem Grund fragen. Die Antwort, „Es könne bei diesem Bauträger doch nichts passieren“, ist angesichts der Pleiten großer Bauunternehmen eine Ausrede. In Wirklichkeit traut die eigene Bank dem Bauträger nicht und möchte deshalb das Risiko an versteckter Stelle auf den Erwerber abwälzen.

Der erforderliche Federstrich des Gesetzgebers

Wenn die Kreditinstitute nicht von sich aus verbraucherschützende Standards definieren und die Notarkammern nicht bereit sind, wie dies früher vor Schaffung der MaBV der Fall war, durch intensive Belehrungsanforderungen die Einseitigkeit beim Bauträgervertrag zu beseitigen, muss der Verordnungsgeber durch ein Streichen der entsprechenden Bestimmung für mehr Gerechtigkeit beim Bauträgervertrag sorgen. Die MaBV sollte vor fast 40 Jahren lediglich die Einhaltung von Mindeststandards zum Schutz des Verbrauchers gewährleisten. Dies hindert nicht, einen fairen Bauträgervertrag zu konzipieren und effektiven Verbraucherschutz zu betreiben.