Häufig eine böse Überraschung für den überlebenden Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft

Viele Paare leben heute ohne Trauschein zusammen, auch in höherem Alter. Vor allem wer schon eine Scheidung hinter sich hat, sieht oft nicht ein, warum er noch einmal heiraten soll. Schließlich kann man sich ja auch so arrangieren und alles vertraglich regeln. Oder? Theoretisch schon, aber praktisch liegt das Problem bei der Erbschaftssteuer. Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft werden vom Fiskus nämlich so behandelt, als wären es völlig Fremde. Auch wer seit Jahrzehnten fest zusammen lebt, vielleicht sogar gemeinsame Kinder hat, steht im Erbfall nicht besser als irgendein Wirtshausfreund oder Nachbar.

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Das Erbrecht privilegiert nur die Ehe

Es gibt für Unverheiratete kein gesetzliches Erbrecht, ohne Testament erbt der Lebensgefährte also gar nichts. Soll der Lebensgefährte nicht leer ausgehen, muss also zwingend ein Testament her. Aber: Setzt ein nicht-ehelicher Partner den anderen zum Erben ein, dann hat dieser nur den minimalen Steuerfreibetrag von 20.000 Euro zur Verfügung (wie jeder fremde Dritte) und muss alles, was darüber liegt mit der schlechtesten Erbschaftssteuerklasse III versteuern, also mit 30 Prozent, bei extrem hohen Vermögen sogar mit 50 Prozent (Details in der Broschüre: Fakten zum Erbrecht). Zum Vergleich:

Ehegatten haben jeweils einen persönlichen Steuerfreibetrag von 500.000 Euro plus Versorgungsfreibetrag von 256.000 Euro plus das Familienheimprivileg für selbst genutztes Wohneigentum. Bei der Erbschaftssteuer liegen zwischen Trauschein und Wilder Ehe also immer noch Welten. Übertragungen zu Lebzeiten lösen das Problem auch nicht, weil dann Schenkungssteuer anfällt, die in Höhe und Freibeträgen mit der Erbschaftssteuer identisch ist. Wer also seinen nicht-ehelichen Lebensgefährten testamentarisch mit deutlich mehr als 20.000 Euro bedenken möchte und die Erbschaftssteuer vermeiden will, dem bleibt nur: Zähne zusammenbeißen und doch noch einmal zum Standesbeamten.

Viele unverheiratete Paare, vor allem solche, die bereits Kinder aus erster Ehe mitbringen, wollen ihren Partner gar nicht als Erben einsetzen. Erben sollen in diesen Konstellationen vielmehr die jeweils eigenen Kinder. So weit so gut, denn jedes Kind hat einen persönlichen Freibetrag von 400.000 Euro plus etwaige weitere Freibeträge.

Aber auch dann wollen die nicht-ehelichen Partner meistens eines per Testament regeln, nämlich dass der überlebende Partner in der gemeinsamen Wohnung oder im gemeinsam genutzten Haus bleiben kann, also ein lebenslanges Wohnrecht erhält, vielleicht sogar ein Nießbrauchsrecht. Was dabei häufig übersehen wird: Auch ein solches Wohnrecht hat einen Wert, der Erbschafts- oder Schenkungssteuer auslöst. Und der vom Finanzamt angesetzte Wert liegt oft erstaunlich hoch.

Ein – etwas abgewandelter – Beispielsfall aus unserer Kanzleipraxis: Joachim und Marta, beide geschieden, sind Mitte 70 und leben seit gut 20 Jahren zusammen im Haus von Marta. Joachim hat viel Arbeit ins Haus investiert und Marta in deren letzten Lebensjahren auch gepflegt. In ihrem Testament vererbte Marta ihr gesamtes Vermögen an ihren Sohn, vermachte Joachim aber ein Wohnrecht auf Lebenszeit im Erdgeschoss des gemeinsam bewohnten Hauses. Der Sohn ist davon wenig begeistert, schließlich kann man das Haus mit dem alten Herrn im Erdgeschoss vor dessen Tod weder vernünftig vermieten noch verkaufen. Da Joachim keinen Streit will, erklärt er sich sogar bereit, unter gewissen Umständen um des lieben Friedens willen auszuziehen. Als Joachim sich anwaltlichen Rat holt, was er denn als Ablöse für das lebenslange Wohnrecht verlangen kann, überbringt ihm der Anwalt die Hiobsbotschaft: Joachim muss für das Wohnrecht Erbschaftssteuer zahlen.

Wie bewertet das Finanzamt das Wohnrecht?

Die Bewertung des Wohnrechts zum Zweck der Erbschaftssteuer erfolgt nach § 14 Bewertungsgesetz (BewG). Zunächst müssen die Räumlichkeiten, auf die sich das Wohnrecht bezieht, mit anderen Wohnungen/Häusern in der Umgebung verglichen werden um festzustellen, welche Monatsmiete man theoretisch auf dem Markt erzielen könnte. Die daraus resultierende (fiktive) Jahresmiete wird dann multipliziert mit der statistisch verbleibenden Lebenserwartung des Steuerpflichtigen gemäß „Sterbetafel“. Das statistische Bundesamt veröffentlicht regelmäßig Tabellen mit Faktoren, den sog. Vervielfältigern, die den verschiedenen Lebensaltern zugeordnet sind. Joachim war zur Zeit des Erbfalls 77 Jahre alt. Der für ihn gültige Faktor nach der aktuellen Tabelle des statistischen Bundesamtes ist 7,376. Um den Wert des Wohnrechts zu erhalten, muss der Jahresbetrag mit dem Vervielfältiger multipliziert werden. Wenn man im Beispielsfall von 1.000 Euro Monatsmiete ausgeht, so wäre der Wert des Wohnrechts für Joachim 12.000 Euro x 7,376, also 88.512 Euro. Da er mit Marta nicht verheiratet war beträgt sein Freibetrag nur 20.000 Euro. Er muss also die darüber hinaus gehenden 68.512 Euro mit 30% versteuern, für das Wohnrecht also 20.553 Euro Erbschaftssteuer zahlen.

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Hilft es, das Vermächtnis erst später geltend zu machen?

Joachim ist ja nicht Erbe geworden, sondern erhält das Wohnrecht als Vermächtnis. Ein Vermächtnis ist ein Anspruch gegen den oder die Erben, hier den Sohn von Marta. Dafür hat der Vermächtnisnehmer drei Jahre Zeit. Nun könnte Joachim ja auf die Idee kommen, den Vermächtnisanspruch erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend zu machen. Wenn er knapp drei Jahre wartet, wäre er älter und damit der Vervielfältiger niedriger.

Auf den ersten Blick eine nette Idee, juristisch aber nicht umsetzbar, da für die Bewertung des Wohnrechts der Todestag des Erblassers entscheidend ist. Warten bringt also keinen Vorteil, sondern im Gegenteil die Gefahr, dass der Vermächtnisanspruch verjährt.

Muss der Inhaber des Wohnrechts die Steuer in einem Betrag zahlen?

Wie oben gesehen kann die Steuer für den länger Lebenden schnell einen fünfstelligen Betrag erreichen, selbst wenn sich dieser bereits im hohen Alter befindet. Umso mehr, wenn dem Unverheirateten das Wohnrecht in jüngeren Jahren zufällt, weil der Lebenserwartungs-Faktor dann 20 oder 30 sein kann. Der Gesetzgeber lässt daher die Wahl zwischen zwei Arten der Besteuerung: Er kann entweder die anfallende Steuer – wie oben dargestellt – in einem Betrag zahlen oder die sogenannte jährliche Besteuerung gemäß § 23 Erbschaftssteuergesetz wählen, die Steuer als quasi in eine Rentenverbindlichkeit gegenüber dem Finanzamt umwandeln.

Die jährlich zu zahlende Steuer würde im Beispiel von Joachim Jahresbetrag 12.000 Euro x Steuersatz 30 Prozent, also 3.600 Euro betragen. Die Vorteile der jährlichen Besteuerung sind: (1) Es muss keine hohe Summe auf einmal aufgebracht werden. (2) Die Steuer muss erste dann zum ersten Mal gezahlt werden, wenn der Freibetrag aufgezehrt ist. Im Beispielsfall wäre das nach fünf Jahren der Fall.

Ein gravierender Nachteil der Jahresbesteuerung ist aber, dass es keine Obergrenze gibt. Lebt der Inhaber des Wohnrechts also deutlich länger, als die Statistik ihm prognostiziert hat, so kommt ihn die Jahresbesteuerung unter dem Strich teurer als die Einmalzahlung. Andersherum besteht ebenfalls ein Risiko: Entscheidet sich der Wohnberechtigte für die Einmalzahlung und stirbt kurz darauf, etwa in einem Autounfall, so wäre bei der Jahresbesteuerung wegen des Freibetrags noch gar keine Steuer angefallen.

Allerdings gibt es bei extremen Härten für beide Modelle die Möglichkeit, die Steuerlast nachträglich zu korrigieren, wenn der Steuerpflichtige zum Beispiel wesentlich kürzer gelebt hat als erwartet. Dann berechnet das Finanzamt den Wert des Wohnrechts neu, indem es die tatsächliche Nutzungsdauer zugrunde legt. Hatte man sich für die jährliche Besteuerung entschieden, gibt es auch später noch die Möglichkeit, die Steuer mit ihrem Kapitalwert abzulösen. Allerdings wird der Kapitalwert dann zum Zeitpunkt der Ablösung neu berechnet, sodass wegen der allgemeinen Preissteigerung auch bei dieser Variante meist mehr Steuern anfallen, als wenn man von vorn herein die einmalige Besteuerung gewählt hätte.

Fazit

Joachim muss im Beispielsfall – egal ob er selbst im Haus bleibt oder sich das Wohnrecht von Marta’s Sohn „abkaufen“ lässt – Erbschaftssteuer zahlen, entweder einen einmaligen Betrag von gut 20.000 Euro oder – nach einer Karenzzeit von ca. fünf Jahren (wegen des Steuerfreibetrags) einen jährlichen Betrag von 3.600 Euro. Was für ihn günstiger ist hängt davon ab, wie alt Joachim tatsächlich wird. Lebt er nach dem Erbfall noch mehr als 12 Jahre (fünf Jahre Wartezeit plus statistische Lebenserwartung), dann ist im Ergebnis die Einmalzahlung günstiger.

Falls er sich das Wohnrecht abkaufen lässt muss er bedenken, dass er vom Ablösebetrag nicht nur die Miete für eine alternative Wohnung zahlen muss, sondern auch die Erbschaftssteuer. Das kann und sollte man in solchen Fällen gegenüber dem Erben als Verhandlungsargument einsetzen.

Bei der Gestaltung von Testamenten sollten man bedenken, ob der Wohnberechtigte die anfallenden Steuern aus seinem Vermögen zahlen kann. Wenn nicht sollte der Erblasser ihm vielleicht zusätzlich zum Wonrecht etwas Bargeld vermachen, auch wenn darauf natürlich ebenfalls wieder Erbschaftssteuer anfällt.

Abschließend zur Klarstellung, weil das häufig in der anwaltlichen Beratung gefragt wird: Die eingetragene Lebenspartnerschaft steht nur gleichgeschlechtlichen Paaren zur Verfügung, da diese (früher) ja nicht heiraten konnten. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist also keine Option „Ehe-Light“ für Heterosexuelle.

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Der Autor Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt (München) und Master of Laws (Leicester, England) spezialisiert sich seit 2001 auf internationales Recht, insbesondere deutsch-britische, deutsch-amerikanische, deutsch-österreichische und deutsch-spanische Rechtsstreitigkeiten, grenzüberschreitende Erbfälle und Nachlassabwicklungen. Er ist Mitgründer und Managing Partner der deutsch-britischen Anwaltskanzlei Graf & Partner Rechtsanwälte.